1. KÖNIGE 8,22-24.26-28;    PREDIGT:

 

Ein Teil des Einweihungsgebetes des Jerusalemer Tempels:

„ Salomo trat vor den Altar des Herrn angesichts der ganzen Gemeinde Israels und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: Herr, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage ... Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir. “

 

Der Himmelfahrtsbezug dieses Textes liegt darin: Je mehr wir zu Gott aufblicken, desto mehr kommt Gott zu uns. Zu Himmelfahrt ist uns Jesus nicht entfleucht, sondern kommt er erst recht zu uns. So wie ein Schüler als sein Klassenziel die Versetzung ins nächste Schuljahr hat, so haben wir Christen als unser Klassenziel die Versetzung ins Himmlische. Deshalb leben wir heute schon darauf zu. Da wir uns die Dimensionen Gottes erschließen dürfen, ist uns das Zukünftige nicht mehr fremd. Damit sind wir Teilhaber an der Herrschaft Jesu und stehen ihm unmittelbar zur Verfügung. Und damit sind wir seine Repräsentanten in dieser Welt und dürfen alle Schwierigkeiten überwinden. Wo es uns gelingt, wie dieser König Salomo solche Verbindung zu Gott zu knüpfen, tut sich uns der Himmel Gottes auf. Dabei gibt es Orte der besonderen Gegenwart Gottes, an denen wir seine Nähe in ganz besonderer Weise erleben dürfen. Noch sind wir in dieser Welt. Aber wir werden geprägt von der Größe Gottes, von seiner Pracht, Macht und Herrlichkeit. Gerade durch unser Gebetsleben verwirklicht sich das in unserem Alltag.

Für das Volk Israel war diese Einweihung des Tempels ein großartiges Fest. Es war ihr erster Tempel. Das gesamte Volk war versammelt und es wurde ein großer Aufwand getrieben. Der Tempel selbst war 52 m lang, 27 m breit und bestand aus drei Hallen; zusätzlich gab es noch Nebenhallen, die mit Gängen verbunden waren. Es wurden viele Natursteine, viel Zedernholz und Zypressenholz verwendet. Viele Schnitzereien mit Gold überzogen schmückten das Ganze; auch viele Edelsteine funkelten an den Geräten. Es gab 10 goldene Leuchter mit je 7 Lampen und 10 Schaubrottische. Das war nur eine kleine Aufzählung von diesem neuen Tempel- Prachtstück des Volkes Israels.

Der König Salomo wusste aber zu genau, dass Gott noch viel viel größer ist und er getraute sich kaum bei dieser Einweihung zu ihm aufzuschauen: "Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, wie sollte es dann dies Haus tun?" Und doch bittet er: „Wende dich zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.“

Behaupten wir einmal sehr prägnant: Christen veranstalten Himmelfahrten. Aber haben wir keine Angst, dass dies überheblich wäre, auch wenn es so klingt. Denn recht verstandene Himmelfahrt ist keine Ortsveränderung, wie es z.B. eine Mondfahrt oder ein Flug in den Weltenraum wäre; sondern Himmelfahrt ist eine Funktionsveränderung auf der Basis der Machtergreifung Jesu. Mit Himmelfahrt im Jahre 33 gelangte Jesus zur weltweiten Tätigkeit. Am Himmelfahrtstag wurde vom Parlament Gottes das Osterprogramm angenommen und ratifiziert. Und damit verpufft das Erreichte nicht, sondern seitdem wirkt Jesus weltweit auf dieser Erde. Obwohl aller Himmel Himmel, und damit ist unser riesiger Weltenraum gemeint, ihn nicht fassen können, kommt er uns Menschen doch so nahe.

In manchen Situationen können Ortsveränderungen schon helfen, jedenfalls momentan. Aber da wir ja noch dieselben Menschen sind und wir ja mit jeder Ortsveränderung mitgehen, holt uns schnell wieder die alte Wirklichkeit ein. Dagegen ist eine von Gott geschenkte Funktionsveränderung dauerhaft. Diese verwandelt uns durch Gottes Gnade vom Grundsatz her total. Etwas Neues ist geworden. Und nun dürfen wir Menschen, zwar in Kleinarbeit, aber doch mit einer großen gewissen Zuversicht, uns dieses Neue erschließen; bzw. dieses Neue erschließt, öffnet sich uns. Wir wachsen immer mehr in die Gesinnung Jesu hinein. Wir kennen den Aufblick zu Gott und Gott selbst vertraut uns die himmlischen Funktionen an. Wir haben freien Zugang zum Vater Gottes und damit kommt Licht, Bewegung und Leben in unser Dunkel, in unsere Enge, in unser Versagen und in unser Unvermögen.

Wir Menschen haben ja zur Ewigkeit Gottes oft ein total falsches Verständnis. Wir meinen, wenn alle Zeit abgelaufen ist, dann kommt einmal die Ewigkeit; also in total weiter Ferne. Aber das ist nicht richtig. Besser ist schon die Vorstellung, dass diese Ewigkeit parallel zu unserer Zeit einhergeht. Aus dieser Ewigkeit heraus erstand ja unsere Zeit und unsere Welt. Und zu jedem Zeitpunkt kann die Ewigkeit in unsere Zeit und an unseren Ort hereinbrechen; heute genauso wie damals beim König Salomo.

Wer nun gelernt hat, heraustreten zu können, um in der Einsamkeit vor Gott zu stehen, der gerät unversehens in die Ewigkeit Gottes hinein und erlebt die Größe Gottes. Davon wird sein ganzes Leben überwältigt und fasziniert. Hier findet er das Geheimnis zur Lösung seiner Probleme und Nöte und Aufgaben. Hier erfährt er die rechte Sicht alles wahren Lebens. Hier bekommt er echte Information ohne Selbsttäuschung oder Fremdtäuschung. Für ihn ist dann Gott keine unbekannte Größe mehr, sondern er pflegt das einzigartige Vorrecht, mit Gott vollen Kontakt haben zu dürfen. Das gehört zum Lebensstil eines jeden Christen. Gott kennt die Seinen und die Seinen kennen ihn. Es gibt solche Lebensgemeinschaft zwischen Gott und Menschen. Hosea 2, 21 f, Gott spricht: Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit ... und du wirst den Herrn erkennen. Matthäus 18,20; Jesus spricht: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Wir brauchen nicht darüber traurig zu sein, wenn wir noch nicht zum Mond fliegen können; oder wenn wir das und jenes nicht mitmachen können. Aber versäumen wir diese Himmelfahrten nicht, die uns Jesus ermöglicht. Wir können nicht den Himmel auf Erden aufrichten, und solange wir in diesem sterblichen Leibe leben gilt die tödliche Umklammerung unseres Lebens. Aber wir dürfen Stätten kennen, die im geistlichen Verständnis Kolonien des Himmels sind. Wir Christen dürfen die Repräsentanten Gottes auf dieser Erde sein. Wir kennen die göttlichen Alternativen und Dimensionen. Wir haben eine Frei- Fahrkarte zum wahren Lebenszug bekommen. Wir finden einen Platz bei den vielen Wohnungen Gottes. Wir dürfen Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen sein.

Um solche Funktionsveränderungen in unserem Leben geht es. Wir dürfen möglichst viel von der Machtentfaltung Gottes mitbekommen.

Diese Welt, in der wir leben, hat viele Risse und Sprünge. Viele Störfaktoren machen sich bemerkbar, die Unruhe und Angst erzeugen. So sehnen wir uns Menschen nach höheren Einsichten. Aber nicht alles, das ein frommes Gewand trägt, führt zu Gott. So wollen wir uns noch genauer über die zwei Hauptanliegen des Textes Gedanken machen: 1) Unser Aufblick zu Gott. 2) Unsere Bitte um das Kommen Gottes zu uns Menschen.

 

1) Unser Aufblick zu Gott. Dazu steht im Text: "Salomo trat vor den Altar des Herrn und breitete seine Hand aus gen Himmel und sprach: Herr, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich. ... Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen; wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe!"

Im Aufblick zu Gott werden wir von seiner Größe überwältigt. Dabei ist aber wesentlich, dass er uns zu einer bekannten Größe wird. Im Laufe unseres Lebens dürfen wir uns dies stückweit erschließen. In unserem Glaubensleben reifen wir da hinein. Wir sind nicht mehr auf uns selbst gestellt. Wir müssen uns nicht mehr auf Gedeih und Verderb den Menschen anbefehlen. Sondern die eigentlich sonst unfassbare Größe Gottes wird erlebbar.

Die Pädagogik legt auf. die Formulierung von Lernzielen großen Wert. Wir Christen haben als Lernziel, uns heute schon das Ewige, das Zukünftige zu erschließen, damit wir als Klassenziel der Christen die Versetzung ins Himmlische erreichen. Noch gilt die Theologie des Kreuzes und nicht die der Herrlichkeit Jesu. Noch leben wir in Bezug auf dieses Ziel im Glauben, im Hoffen und in der Erwartung und noch nicht im Schauen. Noch sind wir wie Pilger, Wanderer auf dieses Ziel hin unterwegs. Aber wir sind auf dem richtigen Weg, auf der richtigen Fährte.

Dr. Martin Luther, der noch nichts von den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen des Mikro- und Makrokosmoses wusste, der sagte: Nichts ist so klein, Gott ist noch kleiner; nichts ist so groß, Gott ist noch größer. Gott ist zwar nicht so kleinkariert, wie wir es oft sind, aber auch nicht so überschwänglich, wie wir oft tun. Er ist viel größer, aber auch viel nüchterner. Er ist eben eine total andere Größe, als wir sie uns vorstellen und wünschen. Deshalb ist unsere Beschäftigung mit ihm im Gebet und in der Bibellese so wesentlich.

Die Gottlosen sind die, die sich selbst so wichtig vorkommen. Deshalb brauchen sie keinen Gott. Er ist für sie total überflüssig. Wie weit sie damit kommen, das muss sich natürlich erst herausstellen. Dagegen sind die echten Frommen die, die wissen, dass sie selbst nichts sind und deshalb Gott so nötig brauchen. Sie bestaunen Gott nicht wie ein Denkmal, sondern sie wissen um die sog. leidenschaftlichen Naherwartungen Jesu. Denn seit Himmelfahrt herrscht Jesus nicht nur in der Höhe, sondern auch in den Seinen.

Wie und wo ist Gott heute zu finden? Als Handicap haben wir hier, dass wir das nie beweisen und nie theoretisch darlegen können. Nur der erfährt das, der das Wagnis des Glaubens eingeht und sein ganzes Leben Gott anbefiehlt; der täglich ja zu den Glaubenszusagen Jesu sagt; der bestimmte Gebetszeiten pflegt und die Bibellese praktiziert. Aber damit haben wir schon vieles aufgezeigt, das auch die Praxis unseres Christenlebens bestimmt. Dabei ist Gott kein Prinzipienreiter. Jeder darf selbst seinen persönlichen Weg erfahren, den er hier gehen darf.

Unsere persönliche Gottesbeziehung darf das Herzstück unseres Lebens und Wirkens sein. Es geht uns nicht mehr um unser kleines Eigenleben, sondern um unser Leben aus Gott. Und gerade durch unsere Anbetung und durch unseren Lobpreis wird die Spannung, die bis zu unserem Tode zwischen Erde und Himmel bestehen bleiben wird, bewältigt und auch überwunden. Wer im Lobpreis Gottes steht, wird auch an unbedeutendster Stelle stehend den reichen und großen Gott erleben und ihm dienen und damit Ewigkeitsbezug erlangen. In solchem Aufblick zu Gott dürfen wir leben.

 

2) Unsere Bitte um das Kommen Gottes zu uns Menschen. Im Text steht: „Du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen. Was du zusagst, das hältst du. Mit deinem Munde hast du es geredet und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. ... So lass dein Wort wahr werden. ... Wende dich zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines Knechtes heute vor dir.“

Gott kann uns wahrhaftig näher sein als alles andere im Leben. Das ist auch die große Chance, die wir Christen haben.

Normalerweise hat die Kirche die wenigsten Aussichten, weil sie nicht medienwirksam auftritt. Die christliche Erziehung hat vielerorts versagt, weil sie mit einem falschen Machtanspruch aufgetreten ist. Aber meinen wir wirklich, dass deshalb Gott nichts mehr zu sagen hat? Niemals trifft das zu. Wer im Aufblick zu Gott lebt, der erlebt zwar nicht einen modernen Gott. Denn wäre Gott modern, dann wäre er morgen unmodern und würde zu modern beginnen, - modèrn und mòdern ist dasselbe Wort und wahrscheinlich auch dieselbe Bedeutung. Wer im Aufblick zu Gott lebt, der erlebt dagegen einen allezeit aktuellen Gott, der unbeirrbar seinen Weg geht und die Seinen auf diesem Weg mitgehen lässt.

Der wahre Christ erlebt einen Gott, der zu ihm kommt und ihn in alle Wahrheit führt. Aller andere Zauber entpuppt sich für ihn als fauler Trick und falsches Versprechen.

Wenn seit Himmelfahrt Christus überall auf dieser Erde ist, dann gibt es für uns Christen keine christusfreien Räume mehr. Durch Jesu Erlösungswerk sind alle falschen Bindungen aufgehoben und er macht aus unserem Leben etwas sehr Kostbares und Wertvolles.

Unser Lebenswerk ist nicht nur der Aufbau von Häusern, einer Familie oder sonst eines Standes. Sondern zusätzlich erfahren wir etwas von dem Aufbau des Reiches Gottes. An unserer Stelle, an die uns Gott gestellt hat, dürfen wir mitarbeiten, mitten dabei sein und uns ganz einbringen. Und Gott lässt uns in unserem kümmerlichen Dasein nicht verrecken, sondern er macht daraus etwas zur Ehre seines Namens. Wir erleben etwas davon, was auch Paulus in dem Zuspruch Gottes erlebte: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Gerade auch im Gebet, - wie hier der König Salomo - , dürfen wir Gott bitten, dass er unseren Alltag erfüllt. Gerade die großen Feste unseres Lebens und unserer Kirche haben eine große Ausstrahlungskraft auf unseren Alltag. Und im Neuen Testament, seit dem Auftritt Jesu, steht der Altar Gottes vor allem in unseren Herzen. Deswegen feiern wir auch das Abendmahl. Jesus füllt unsere ganze Bedürftigkeit mit der unsagbar großen Fülle seiner Segensgaben auf. Zeitlebens bleibt zwar unsere Bedürftigkeit bestehen; immer werden wir wie Bettler mit leeren Händen und leeren Herzen vor Gott stehen. Aber immer wird auch dieser Lebensstrom Gottes fließen und nie abreißen. Damit erfahren wir die Lösungen Gottes, sein unauslöschbares ewiges Leben, seine tief greifende Erfüllung und Freude. Damit kommt unser Leben zur gottgewollten Vollendung. Auch wenn dabei das harte Leben bleibt, ist jeder Tag voller friedvoller Bewegungen und freudigen Erlebnissen. Unsere Bitten um das Kommen Gottes zuerden erfüllt.

 

Je mehr wir zu Gott aufblicken, desto mehr kommt Gott zu uns. Gerade Himmelfahrt zeigt uns als Klassenziel unsere Versetzung ins Himmlische, darauf wir heute schon zuleben. Wir dürfen uns die Dimensionen Gottes erschließen, sodass uns das Zukünftige nicht mehr fremd ist und wir Teilhaber der Herrschaft Jesu sind.