Jesaja 11,1-9

Der Messias und sein Friedensreich

„ Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften. Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter. Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt. “

 

       Was ist der eigentliche Weihnachtszauber? Dieser Predigttext will uns das verdeutlichen und erklären. Die normal erlebte Weihnachtsstimmung ist schon bald wieder vorbei und vergessen. Es ist bald wieder ein alter Hut, wie man so landläufig sagt. Das war dann ein Weihnachtszauber menschlicher Art. Aber es gibt auch einen Weihnachtszauber göttlicher Art. In unserem Predigttext ist das Zukunftsbild der Neuschöpfung Gottes entfaltet, eine Totalerneuerung ganz anderer Art, die Christenwelt von Morgen. Damit tritt eine qualitative Veränderung ein, die mit dem Reis aus dem Stamm Isai, mit dem Zweig aus der Wurzel Israels bezeichnet ist.

       Weihnachten, die Ankunft Jesu in unserem Leben, ist der Beginn einer Neuen Geschichte. Und das kann ja niemals nach Weihnachten vorbei sein, sondern diese neue Geschichte geht weiter, weiter und weiter. Dieser Zweig, dieser Reis entfaltet sich, wächst und gedeiht und bringt auch einmal die erwarteten Früchte. Ob wir jung oder alt sind, das spielt da keine Rolle. Es hat für uns sehr viel zu bedeuten, egal ob wir am Anfang, in der Mitte oder am Ende unseres Glaubensleben stehen. Wir haben damit ein Ziel vor Augen, das hier mit den schillerndsten Farben und mit den herrlichsten Worten beschrieben wird. Es ist ein Ziel, zu dem die Welt sagt, es wäre zu schön, um wahr zu sein. Aber wir Christen sagen dazu, dass es wahr ist und es so einmal kommen wird und wir auf dem besten Weg dahin sind.

       So ist Weihnachten für uns etwas Herrliches. Es ist der Beginn des überwältigenden Handeln Gottes in unserem ganz persönlichen Leben. Was dabei Gott anstößt, das wächst, gedeiht, bringt Frucht und kommt zur Vollendung. Denn wo Gott handeln kann, da geschieht eine Faszination von ganz besonderer Güte und Qualität. Es sind ganz andere Werte, als wir Menschen sie gewöhnt sind und normalerweise erstreben. Und doch erfüllen diese Werte alle unsere Sehnsüchte, Hoffnungen und Begehren. Es gibt nichts Herrlicheres und Größeres als das, was wir dabei erleben.

       Natürlich haben wir deshalb noch nicht den Himmel auf Erden. Aber die Handlungen Gottes zeigen und führen uns den Weg, den wir gehen können, um an dieses herrliche Ziel zu gelangen. Unser Predigttext entstand ca. 600 – 700 Jahre vor der Geburt Jesu, der ja dieser hier genannte Zweig ist. Was das Endprodukt dessen ist, was Jesus bewirkt, beschreibt der Jünger Johannes ca. 100 Jahre später in der Offenbarung mit noch viel mehr herrlicheren Worten und Bildern, als es in unserem Predigttext beschrieben ist.

       Der Weihnachtszauber von Weihnachten zeugt von der wahren Größe Gottes, der in uns Christen vorhanden sein darf. Gott fügt uns damit in bezaubernder Art und Weise in seine Neuschöpfung mit ein. Wir erleben einen Glanz und ein Leuchten, das sich die anderen Menschen nicht erklären können. Es ist ein Geschenk Gottes, das wir uns niemals verdient hätten, das aber dennoch in unbegreiflicher Weise vorhanden ist. Wir Christen lassen das uns gerne gefallen und erfreuen uns daran. Was mit Weihnachten begann, das wird am Jüngsten Tag vollendet sein.

       Dieser Weihnachtszauber beinhaltet dreierlei: 1) Wir sind von dem Handeln und Wirken Gottes in seinen Dimensionen fasziniert und überwältigt. 2) In der Praxis unseres Lebens stellt das oft einen zarten Trieb oder Zweig eines schon längst gefällten Baumes dar. 3) Gott macht daraus sehr viel. Es geschehen wunderbare Dinge, bei denen nichts mehr Störendes vorhanden ist.

 

       1) Wir sind von dem Handeln und Wirken Gottes in seinen Dimensionen fasziniert und überwältigt. Das kommt nicht aus uns, sondern weil Gott in uns gegenwärtig ist. So etwas kann man nicht arrangieren, bewirken, sondern das ist das Geschenk Gottes an uns, sein Weihnachtsgeschenk.

       Die einzige Vorausbedingung dazu ist unsere Öffnung für ihn. Deshalb feierten wir 4 Wochen lang Advent. Aber dann wird wahrhaftig Christus in uns geboren und wir erleben seine Gegenwart, Kraft, Macht, Weisheit und Herrlichkeit. Davon profitieren wir sehr viel. Das füllt unser ganzes inneres Leben aus, was natürlich auch auf unser äußeres Erscheinungsbild durchschlägt. Da ist dann Gottes Handeln und Wirken nicht mehr aufzuhalten und zu bremsen. Das eröffnet uns nicht nur die Weisheit für unsere irdischen Belange, sondern auch für die göttlichen und himmlischen Belange und Wirklichkeiten. Da schauen wir Irdisches und Himmlisches zusammen, wie es in unserem Predigttext genannt ist. Gegenwärtiges und Zukünftiges bekommt seinen rechten Stellenwert. Da stehen wir fest auf dieser Erde und erleben zusätzlich die Wirklichkeiten der himmlischen Welt. Uns geht ein Licht nach dem anderen auf. Die Reichtümer, die wir besitzen dürfen, sind von ganz anderer Art. Damit kommen wir mit allen Situationen des Lebens zurecht. Deshalb haben wir durch Gottes Gnade eine große Spannkraft, Geschmeidigkeit und auch Zufriedenheit. Nichts wirft uns mehr aus der Bahn Gottes. Es fügt sich eins ins andere. So können wir sehr glückliche und zuverlässliche Menschen sein. So sind für uns die Visionen von den Dimensionen Gottes die größere und letzte Wirklichkeit, die es gibt.

       Was sind nun die Dimensionen Gottes? Dazu gehört auf alle Fälle der Dreieinige Gott. Der Heilige Geist führt uns in alle Wahrheit, in alle Wahrheit über uns selbst und über Gott. Er zeigt und führt uns die Wege, auf denen wir Jesus Christus erleben können. Und er begleitet uns täglich, damit wir die Auswirkungen des göttlichen Lebens für unseren Alltag kapieren und vollziehen. Jesus Christus ist die Gewähr dafür, dass wir einen liebenden Gott Vater haben, der für uns eingestellt ist und diese sog. Neuschöpfung haben will. Deshalb besitzt Jesus alle Vollmachten des Vaters, um Gottes Werk zur Vollendung zu führen. Zu den Dimensionen Gottes gehören auch die Engel Gottes und die Wolke von Zeugen.

       Diese Dimensionen erleben wir Christen. Es sind ganz persönliche Visionen und Erlebnisse, wie es auch Jesaja hier bezeugt. Das erleben wir nur ab und zu. Aber sie bewirken in uns eine Überwältigung und Faszination von besonderer Güte und Größe. Es prägt unser gesamtes Leben und Wirken. Wir sind von unserem Gott imponiert, fasziniert und überwältigt.

 

       2) In der Praxis unseres Lebens stellt das oft einen zarten Trieb oder Zweig eines schon längst gefällten Baumes dar. Zurzeit Jesu war das Volk Israel schon längst am Boden zerstört. Es gab keine Könige mehr und als Volk hatten sie nichts zu melden. Es blieb nur ein Stumpf eines gefällten Baumes übrig, der schon zu faulen beginnt. Aber mit der Geburt Jesu treibt nun aus diesem morschen Holz ein neuer, ganz zarter  Trieb. Wo nichts mehr zu hoffen war, bewirkt Gott etwas total Neues.

       Solche Handlungsweise Gottes erlebt die Gemeinde Jesu immer wieder. Wo nichts mehr zu hoffen ist, blüht auf einmal etwas total Neues auf. Oft scheint es so zu sein, dass Gott erst dann etwas bewirken und schaffen kann, wenn wir Menschen an das Ende unserer Möglichkeiten angelangt, wenn wir mit unserer Kunst am Ende sind. Aber das ist nur die eine Betrachtungsseite. Denn auf der anderen Seite heißt das für uns, dass uns Gott immer wieder auf- und wachrütteln will, ja nicht locker zu lassen und aufzugeben. Wir sollen uns mit den Missständen ja nicht abfinden. Gott gibt uns eine neue Chance.

       Ich denke, diese Sichtweise ist für unser Leben sehr wesentlich und hilfreich. Da gründen wir unser Leben nicht mehr auf uns selbst, sondern ganz stark auf Gott, auf seine Weisungen und Verheißungen. Da wissen wir, dass Gottes Wege weiter gehen, dass im Vertrauen zu ihm nichts umsonst geglaubt und getan ist. Da kommt es nicht mehr auf unsere Kraft und Macht, aber auch nicht auf unser Versagen und Unvermögen an, sondern allein auf Gottes Handeln und Wirken. Da haben auch die Mächtigen in Staat und Kirche nichts mehr zu melden, so wesentlich ihre Arbeit auch ist. Sondern Gott wirkt und handelt an ganz unscheinbarer Stelle etwas Neues. Auch wenn es wie ein zarter Trieb ist, den man leicht verletzen kann. So sorgt doch Gott in seiner Allmacht, Weisheit und Liebe dafür, dass dieser Trieb wachsen und sich entfalten und zu voller Größe und Herrlichkeit entfaltet.

       Gerade da, wo alle Wünsche der Menschen in den Dreck gezogen und sehr enttäuscht werden, ist Gottes Handeln vorhanden. Da schenkt er die Erfüllung unseres Lebens, indem er wahres Leben, Friede und Gerechtigkeit bewirkt. Es geschieht eben anders, als es wir Menschen uns wünschen und ausdenken. Aber es geschieht dort, wo sich Menschen von Christus schulen, führen und leiten lassen.

       Was Gott auch in unserem Leben schafft und wirkt ist immer zuerst einmal etwas sehr Zartes und somit Zerbrechliches. Das gilt es heilig zu hüten und zu bewahren. Nur weil Gottes Allmacht dahinter steht, entfaltet sich das zu einer gottgewollten Größe und somit auch einmal zur Vollkommenheit.

       Wie oft schon wollten die Größen dieser Erde die Gemeinde Jesu ausrotten. Aber genau das Gegenteil erreichten sie. Unbewusst unterstützten sie damit den Gemeindeaufbau. Je mehr Unsinn die Kirchen produzieren, umso mehr unterstützen sie damit den Zulauf zur lebendigen Gemeinde Jesu. Auch wenn sich hier Gott nicht in die Karten schauen lässt, Gott zieht immer die richtige Karte. Was er schafft, das kann nicht mehr gehindert und zunichte gemacht werden. Dieser zarte Reis und Zweig wächst und wächst und entfaltet sich. Die Neuschöpfung Gottes ist nicht mehr aufzuhalten.

 

       3) Gott macht daraus sehr viel. Es geschehen wunderbare Dinge, bei denen nichts mehr Störendes vorhanden ist. Unser Text nennt dazu herrliche und wunderbare Begebenheiten, die natürlich der Ewigkeit vorbehalten sind, aber für uns den Weg dorthin bedeutet. Im Verborgenen entsteht ein Gottesstaat von besonderer Güte, Stärke und Größe. Dazu ist Gottes Geist unermüdlich am Werk. Was hier entsteht, wird nicht mehr vom Bösen und vom Tode bedroht. Es ist eben unverweslich und ewig.

       Für uns heißt das, dass wir von der Gottesnähe bestimmt und überschwemmt werden. Das macht uns still, getrost und frei, frei zum Leben und zum Wirken. Mehr können und müssen wir nicht tun. Jeder praktizierender Christ weiß um die Größe Gottes in seinem Leben. Er findet dafür zwar fast keine Worte. Aber in seinem Innersten ist er davon so stark erfüllt und geprägt, sodass ihn kein Wässerchen mehr trüben kann. Er geht im Vertrauen auf Gott unbeirrbar seinen von Gott gewiesenen Weg weiter. Auch wenn sich sein Alltag aus vielen kleinen Arbeiten zusammen setzt, ist er doch an seiner Stelle ein Teil dieses Neuen, das sich Gott schafft.

       Der Hebräerbrief betont in seinem 7. Kapitel, dass Christus der Hohepriester der melchisedekischen, und nicht der aaronitschen Ordnung ist. Auch wenn Jesus vom damaligen Hohen- Rat, dem aaronitischen Priestertum, verurteilt und zu Tode gebracht wurde, so ist er grade dadurch für das melchisedekische Priestertum der Mittler des Neuen Bundes geworden. Der Hohe- Rat meinte, diesen Reis, Zweig ausrotten zu können. Aber genau das Gegenteil fand statt, die Erlösung Jesu, durch seinen Tod gewirkt, war eine ganz wesentliche Tat für dieses Neue, das sich Gott auf unserer Erde schafft und bewirkt. Nun kann in Vollmacht an dieser Neuschöpfung weiter gebaut werden. Jesus wird das auch einmal in großer Herrlichkeit vollenden.

       So brauchen wir Christen keine Angst zu haben. Gott geht unbeirrbar seinen Weg mit uns. Und dieser Weg ist immer der bessere Weg und führt uns zum Ziel seiner Neuschöpfung.

       Wir dürfen in der Reihe dieses melchisedekischen Priestertums stehen. Uns wurde dazu die Stafette überreicht. Nun gilt es zu laufen, zu wirken und uns einzusetzen. Und weil Gott keine Fehler macht, dürfen wir allezeit das Rechte tun. Gott macht daraus sehr viel.

       Im Wandel unserer Zeit wird die Hauskreisarbeit immer wesentlicher. Da bleiben wir zwar inmitten unseres aaronitischen Priestertums stehen. Aber wir verwirklichen mehr dieses melchisedekische Priestertum. Da lebt jeder an seiner Stelle ganz verantwortlich und ist ein Botschafter an Christi statt. Gott hat für die Zukunft unserer Kirche in der Weise vorgesorgt, dass er viele Bruderschaften ins Leben rief. Ohne dass wir uns darauf etwas einbilden, so sind wir doch ein Beispiel dafür, wie man von Gott versorgt wird ohne an eine Institution gebunden zu sein. Was bei den Bruderschaften funktioniert, kann ein Vorbild für die Zukunft unserer Kirchen sein. Es ist immer eine Bereicherung der Gemeinde Jesu Christi, nie eine Verarmung.

       So geschehen wunderbare Dinge, bei denen nichts mehr Störendes vorhanden ist. Diese Vision dürfen wir haben. Jesaja durfte solches schauen. Der Jünger Johannes hatte diesbezüglich viele Visionen. Jeder Christ hat für seinen Teil ebenfalls viele Erlebnisse, die diesen Visionen gleichen. Auch wenn dies alles wie ein Traum klingt, so steht doch die Wirklichkeit Gottes dahinter. Das ist der Weihnachtszauber göttlicher Art. Mit Jesus begann damals die Neue Geschichte Gottes. Was dabei von Gott anstoßen worden ist, das wächst, gedeiht, bringt Frucht und kommt zur Vollendung. Das gilt für jeden Christen persönlich und für das Gesamte der Neuschöpfung Gottes. Wir erleben einen Glanz und ein Leuchten als ein Geschenk Gottes, das in unbegreiflicher Weise vorhanden ist. Das lassen wir uns gerne gefallen und erfreuen uns daran.