1. Johannes 4,7-12; Predigt:

 

" Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben, denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht, denn Gott ist die Liebe. Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebore­nen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden. Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen. "

 

Die hier genannte Liebe ist wie ein dreifach ver­schlungenes Seil: Es ist die Liebe Gottes zu uns, unsere Liebe zu ihm und unsere Liebe zum Nächsten. Wobei von uns aus gesehen diese zuletzt genannte Liebe immer die problematischste ist. Des­halb ist sie sehr entscheidend; so sagt es Johannes.

Gerade als praktizierende Christen bekommen wir zu dieser Liebe Gottes Zugang. Alles andere, das wir Menschen sonst als Liebe an­prei­sen, verblasst unter dieser Liebe Gottes. Wir sind von Gott Überwältigte und damit von dieser Liebe Überwältigte. Wer dem­nach aus Hass etwas tut, der hat diese Liebe noch nicht begriffen und noch weniger ergriffen. Er lebt noch im finsteren Loch des fal­schen Vergeltungsdenken und zahlt vielfach seinem Nächsten all das Böse zurück, das ihm angetan wird. Diese Liebe hat das nicht mehr nötig. Da können wir wahrhaftig das Böse mit Gutem vergel­ten und über­winden.,

Diese Liebe hat nichts mit einer weichen Welle zu tun, denn sie ist zum größten Opfer bereit und gibt alles, was uns möglich ist. Auch hat sie nichts mit Gefühlsduselei zu tun, denn wie oft verlässt uns gerade in wichtigen Situationen unser Gefühl. Ebenso hat sie nichts mit irgend­welchen von uns erbrachten Leistungen zu tun, auch dann nicht, wenn wir sehr vieles leisten und erbringen. Sie ist dem über­geordnet.

Diese Liebe ist nur dann in unserem Leben vorhanden, wenn wir die Verbindung zu Gott kennen und praktizieren. Denn nur Gott kann sie uns vermitteln. Und er tut das auch, wenn wir ihm den Raum und die Zeit unseres Lebens überlassen. "Als von Gott Geliebte lasst uns un­ter­einander lieben!" Diese Liebe ist das Programm für unse­re Liebe zum Nächsten. In unsrem Predigttext wird 11 Mal von Gott geredet und 15 Mal von dieser Liebe. Schon das verdeutlicht, dass Gott und Liebe zu­sammen gehören. Sie sind nicht zu trennen. Wer Gott irgendwelche Hässlichkeit in die Schuhe schieben will, der meint einen anderen Gott, den Gegengott; aber niemals den Gott, den uns Jesus Christus vermit­telt.

Ich möchte diesem Text folgende drei Teile geben: 1) Johannes stellt die These der Liebe auf. 2) Er bringt dafür eine Begründung. 3) Diese Liebe ist auch unsere Lebensaufgabe.

 

1) Johannes stellt die These der Liebe auf. Verse 7 + 8: "Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben, denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe!"

Im Johannes Evangelium bezeichnet sich Johannes des öfteren als den Jünger, den Jesus lieb hatte. Das soll nun nicht heißen, dass Jo­hannes der Lieblingsjünger Jesu war. Sondern er war in besonderer Weise für die Liebe Jesu empfänglich und offen. Gerade er hat diese Liebe stark empfunden. Er wurzelte darin besonders tief ein. Er empfand das in seinem persönlichen Leben als eine ganz große Hilfe zur Bewältigung aller anstehenden Aufgaben und Probleme. So wurde für ihn diese Liebe zum eigentlichen Thema seines Le­bens und somit auch zum Hauptthema seiner Briefe. Immer wieder kommt er darauf zurück. Bei jeder Angelegenheit, die er nennt, kommt er auf die Lösung mit dieser Liebe.  Ihm ist nichts lieber, als dass die Angeredeten auch alles mit die­ser Liebe Gottes bewältigen. Das will er auch uns heute vermitteln. Es ist noch keine veraltete Bewältigungsart, wenn wir ebenfalls diese Liebe als das für uns übergeordnete Thema und Hauptanliegen anse­hen.

Johannes sagt: Wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott! Auch darauf kommt Johannes des öfteren zurück und erwähnt die­ses "von Gott geboren sein!" Je inniger unsere Gotteserlebnisse sind, desto stärker kann diese Liebe Gottes in uns landen. Gott will eine ganz star­ke Beziehung zu uns aufbauen. Er will unser Leben als die Opera­tions­basis für sein Werk gebrauchen und benützen. Allezeit dürfen wir uns als von Gott Geborene ansehen. Das bein­haltet sehr praktische Themen unseres Lebens.

Das heißt, dass normalerweise in uns und unter uns nie diese Liebe vor­handen ist. Was wir oft mit Liebe bezeichnen, z.B. das Begeh­ren nach Anerkennung, das hat nichts mit dieser hier genannten Liebe zu tun. Wundern wir uns nie darüber, wenn wir in uns und unter uns nie diese Liebe erfahren. Das ist das Normale, wenn wir ständig gefor­dert, aus­genützt und missbraucht werden.

Nur wer von Gott geboren ist, erfährt in Gott diese echte Liebe. Neh­men wir diese geistliche Geburt aus Gott ernst. Pflegen wir sie und le­ben wir sie total aus. Gott ist für uns Christen keine unbe­kannte Größe mehr. Wir dürfen ihn kennen, erkennen und erleben. Jesus Christus weist uns dazu den Weg.  Der Heilige Geist öffnet uns dazu das Ver­ständnis. Und es ist dann die Gnade Gottes, die uns dieses echte Ver­ständnis der Liebe gibt uns vermittelt. Wir dürfen uns höchstens da­rüber wundern, dass es so wenige Christen gibt, die diese Liebe tragen und vermitteln können. Aber auch die­ses Wun­dern wäre nicht mehr in der Liebe. Die echte Liebe wun­dert sich in dieser Weise nie mehr, son­dern sie versucht, so gut das geht, diese Liebe anzunehmen und auszu­leben. Die Wunder erle­ben wir in un­serer Beziehung zu Gott, dass er es fertig bringt, uns zu lieben. Wer sich darüber wundert, der kann dieses Geschenk der Liebe anneh­men und sich ihr ganz ausliefern. Das gilt auch gerade für die kriti­schen Phasen unseres Lebens. Dann wird unser Alltag davon geprägt und bestimmt sein. Alle ehrgeizigen Pläne verlie­ren sich und sind nicht mehr der Antrieb oder Urtrieb unseres Verhal­tens.

Der Urtrieb der Schöpfung ist diese Liebe. Der Urtrieb des Sünden­falls ist der Hass. Beides ist in dieser Welt noch vorhanden. Welcher Seite verschreiben wir uns? Welche Intension ist unsere treibende Kraft? Worauf legen wir das Hauptgewicht unseres Lebens und Wir­kens? "Wer von Gott geboren ist, der kennt Gott und kann des­halb nur lie­ben!" Johannes stellt diese These der Liebe auf.

 

2) Als Begründung dafür bringt er die Verse 9 + 10: "Darin ist er­schie­nen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden!"

Gott will nicht unsere Vereinsamung. Und wie viele Menschen füh­len sich einsam und verlassen.  Er will zweierlei echte Arten von Verbin­dung und Gemeinschaft. Hier in diesem Punkt ist die erste Art genannt: Unsere Gemeinschaft mit ihm. Und beim nächsten Punkt der Predigt ist die zweite Art genannt: unsere Gemeinschaft mit den Menschen. Nur wenn unsere erste Art funktioniert, dann funktioniert auch die zweite Art. Und beide sind von der Liebe ge­prägt.

Die erste Seligpreisung der Bergpredigt heißt: Selig sind, die da geist­lich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich! Für die Liebe Gottes dür­fen wir offene Gefäße sein. Das ist aber nur möglich, wenn wir uns selbst ausleeren, leer machen, damit Gottes Liebe überhaupt hinein passt. Und das verdanken wir nur Jesus. Er ermög­licht es, dass die In­halte, man kann auch sagen die Ketten des Bö­sen und des Hasses zer­brochen und unwirksam werden. Und nur er er­möglicht es, dass das Band der Liebe und des Friedens für uns be­stimmend wird. Unser Le­ben fließt dann nicht mehr von Gift und Galle über, sondern nur noch von dieser Liebe, die uns Ströme le­bendigen Wassers vermitteln.

Das A und O unseres Lebens, der Urtrieb und das Uranliegen unse­res Lebens und Wirkens darf zuerst einmal unsere persönliche Be­ziehung zu Jesus Christus sein. Denn nur er ermöglicht uns, dass wir von der Gottesferne zur Gottesnähe geraten. Wesentlich in unserem Leben ist diese vertikale, senkrechte Verbindung zu Jesus. Nur von daher be­kommen wir die nötige Kraftzufuhr. Nur dann kennen wir unsere Überlebenschancen.

Das geht so weit, dass nicht mehr wir selbst der Mittelpunkt unseres Lebens sind. Wir haben es nicht mehr nötig, uns selbst zu leben. Son­dern wir lernen, unser Leben getrost an Gott abzugeben und es ihm zu überlassen. Gleichzeitig lernen wir, unser Leben getrost aus Got­tes Hand anzunehmen. Und damit bleiben wir immer auf dem rech­ten Weg. Solches Leben ist nie langweilig, sondern sehr interes­sant. Auch wenn wir vor Überraschungen nie sicher sind, so dürfen wir doch um den klaren Weg Gottes wissen. Denn es gehört dazu, dass wir mit Gott im Gebet ringen dürfen, bis uns wieder der nächste Schritt klar wird, der immer von der Liebe Gottes geprägt sein wird.

Zum Erlösungswerk Jesu gäbe es natürlich sehr viel zu sagen. An die­ser Stelle nennt sie Johannes als die Schleuse zur Liebe Gottes. Gott selbst hat sie uns geöffnet.

 

3) Diese Liebe ist auch unsere Lebensaufgabe, Verse 11 + 12: "Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinan­der lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns unter­einander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen!"

Hier steht nun die horizontale, waagerechte Verbindung zu unseren Nächsten im Mittelpunkt.. Auch diese soll von dieser Gottesliebe ge­prägt sein.

Wie oft stecken wir in falschen Aktionen und verhindern damit das Handeln Gottes. Wie oft verrennen wir uns in eigenen Aktionen und lassen dadurch Gott nicht zum Wirken kommen. Wie oft drücken wir unsere eigene Meinung durch und sind dann doch sehr unglück­liche Menschen.

So ist es für uns wichtig zu wissen, was Gott von uns will; wo er un­se­ren Einsatz haben will; wo für uns momentan der gangbare Weg liegt. Denn die Wege Gottes haben nichts mit dem zu tun, was wir normaler­weise gerne tun würden. Sie sind von ganz anderer Natur und von ganz anderem Inhalt. Es geht letztlich um die Rettung des Menschen. Und dazu bahnt er unsere Wege, die er uns dann auch vorangeht und uns zum Ziel führt. Alle anderen Wünsche und Ziele sind von untergeordne­ter Größe und Bedeutung.

Wer den heißen Draht zu Gott hat, der kann auch seinem Nächsten echte Lösungen mitteilen und anbieten, ohne dass er dadurch auf­dring­lich wird. Wir haben damit die Möglichkeit, unserem Näch­sten in echter Weise zu helfen und beizustehen, wenn er es will. Diese Liebe, die uns Gott gibt, kann unterscheiden, wo wir Men­schen loslassen und damit Gott überlassen dürfen, und wo jetzt un­ser Beitrag und unsere Hilfe gefordert ist. Solches Leben hat große Verheißung. Diese Liebe wertet unseren Alltag gewaltig auf. Da können wir über sonst unüberwindbare Mauern springen. Da dürfen wir Sinnvolles tun und Sinnloses lassen. Da schreiben wir keinen einzigen Menschen ab, den uns Gott mit auf den Weg gestellt hat. Weil letztlich Gott dahinter steht, setzt er uns an unserer Stelle für den Bau seines Reiches ein. Ist das nicht etwas Wun­derbares und Herrliches?!! Wir leben nicht mehr umsonst! Nur diese Liebe be­wirkt das in unserem persönlichen und gemeinsamen Leben. Lassen wir das allezeit unsere Lebensaufgabe sein.

 

Dieses dreifach verschlungene Seil der Liebe Gottes ist für uns Chris­ten sehr wesentlich.: Weil Gott uns liebt, dürfen wir diese Liebe zu ihm und zu unseren Nächsten praktizieren. Lassen wir uns davon überwältigen und bestimmen, dann stehen wir positiv im Le­ben und können sogar das Böse mit Gutem vergelten und überwin­den. Wer von dieser Gottes­liebe geprägt ist, der kann mit dem Kir­chenvater Augustin sprechen: >Liebe! Und dann tue, was du willst, du kannst nichts falsch machen!< Es gibt den Ausstieg aus der Hassspirale, die gleichzeitig die Todesspi­rale ist; und den Einstieg in diese Liebesspirale, die gleichzeitig die Le­bensspirale darstellt.