2. KORINTHER 4,16-18;   PREDIGT:

 

„ Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. “

 

Merken wir als Christen, wie gut wir dran sind und wie gut wir drauf sind? Obwohl wir nichts in unguter Weise beschönigen, so kennen wir doch als unseren Lebensinhalt ein sehr kostbares Material: Den auferstandenen Herrn Jesus Christus. Dieser lässt uns nicht in dem Wirrwarr dieser Zeit versinken, sondern lässt uns an seinem Leben und Wirken teilhaben.

Christen leben gleichzeitig zwei Leben: Das zeitliche äußere, sichtbare Leben mit Trübsalen und dem Verfall des Menschen. Und das verborgene innere Leben in ständiger Erneuerung dessen, das ewig bleibt und herrlich ist. Dennoch leben wir nicht schizophren, gespalten. Denn das eine ist das billige, zerbrechliche Gefäß und das andere ist der teuerwerte Inhalt unseres Lebens.

Wir können ruhig von einem gewaltigen Qualitätssprung sprechen, den unser Leben durch unser Christsein erlebt. Denn unsere Lebensgemeinschaft mit Christus bereuen wir nie. Das hierbei Erlebte dürfen und können wir ganz gut im täglichen Leben gebrauchen und einsetzen.

Den Verfall unseres Lebens können wir nicht aufhalten. Aber wir bekommen einen solch wertvollen Inhalt, sodass mit unserem endgültigen Verfall nicht unser Leben, sondern allein unser Sterben aufhört. Nur der, der heute schon um den Himmel Gottes weiß, der wird diesen auch nach seinem Tode erleben.

Beides ist wichtig und erlebbar: Heilige Nüchternheit und nüchterne Heiligkeit. Je ernster wir unsere Lage erkennen und davor unsere Augen nicht verschließen, desto ernster nehmen und ergreifen wir die Angebote Gottes.

Jubilate: Jauchzet Gott alle Lande. Über dem Wirken Gottes an uns und durch uns ist uns zum Jauchzen zumute. Darüber können wir Gott nur unser Danklied singen, als ein Zeugnis für diese Welt.

Unser kurzer Predigttext hat zwei Inhalte, wobei aber auf dem zweiten das besondere Gewicht liegt: Der äußere Mensch verfällt und der innere Mensch wird erneuert.

 

1) Der äußere Mensch verfällt. Er erlebt Trübsale, die aber zeitlich begrenzt sind.

Wenn ein Mensch geboren wird, dann ist eines der eindrücklichsten Zeichen dafür, dass er lebt, sein Schreien, sein Geplärre, sein Wehklagen. Schon ein Kleinkind erlebt Schmerzen. Aber es darf diese positiv bewältigen, wenn er eine geborgene Heimat, Heimstätte hat.

Das darf uns für unser Christsein ein Bild sein. Unser ganzes Leben ist letztlich vom Verfall geprägt, den wir nicht aufhalten, beschönigen oder gar wegmanipulieren, bzw. uns davon distanzieren können. Aber wir dürfen das positiv bewältigen, wenn wir zur himmlischen geborgenen Heimat, Heimstätte Gottes Ja sagen.

Das Grausamste an unserem Menschenleben ist das Wissen darum, dass wir einmal sterben müssen, dass wir zu etlichen Pfund Humus werden. Noch grausamer ist das Wissen, dass wir zusätzlich etwas anvertraut bekommen haben, mit dem wir uns irgendwann einmal vor dem Richterstuhl Gottes verantworten müssen und zur Rechenschaft gezogen werden.

Viele verdrängen diese Tatsachen und wollen sie nicht wahrhaben. Vielleicht lachen sie sogar darüber und verspielen sich damit ihr ganzes Leben. Es zeugt von großer Torheit, wenn sich ein Mensch da nichts sagen lässt und davor die Augen verschließt. Bis zu einem gewissen Grade und bis zu einem gewissen Alter kann man das alles natürlich überspielen. Aber was ist dann, wenn die Zeit gekommen ist, da endgültig die Kräfte abnehmen, der Körper verfällt, einen die vermeintlich guten Freunde verlassen und das kalte Grausen kommt?

Ist es nicht besser, wenn man schon in der Jugendzeit das bedenkt, berücksichtigt und einkalkuliert; wie es ein Psalmist sagt: Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden!?!

Unser Predigttext will nicht das kalte Grausen, auch will er uns nie Angst einjagen. Sondern er weist extra daraufhin, dass bei richtiger Einschätzung dieser unserer Lage unsere Trübsale leicht werden.

Manche verfallen da dem anderen Extrem, - und diese Fehler machen auch Christen - , dass sie den Wunsch nach dem süßen Leben hegen, nach dem Schlaraffenland hier auf dieser Erde. Die Nichtchristen stürzen sich von einem Vergnügen ins andere. Und manche Christen fordern z.B. : Wenn du richtig glaubst, dann wirst du nie krank! Beides ist Unfug, ist eine falsche Bewältigung unseres Lebens.

Natürlich ist es eines unserer größten Wünsche, dass es uns gut geht. Wie oft hört man z.B. aus den Psalmen die verständige Klage: Warum geht es den Gottlosen so gut und uns, die wir Gott nachfolgen, so schlecht?! Und doch spüren wir den Irrtum in dem meist ausgesprochenen Wunsch der Menschen: Hauptsache ist, dass wir gesund sind.

Es ist heute allgemeiner Stand des Wissens, dass falsche Bewältigung des Lebens uns krank machen kann. Wenn wir recht leben, dann können wir zwar nicht den natürlichen Verfall unseres Lebens aufhalten, aber doch gewaltig den unnatürlichen und oft selbst Verschuldeten Verfall. Schon wer das erkennt und beachtet, bekommt eine gewisse Leichtigkeit im Leid und in der Trübsal, weil sein Körper das besser verkraften und bewältigen kann.

Aber in unserem Predigttext ist noch eine ganz andere Art der Bewältigung gemeint, damit unsere Trübsale leicht zu verkraften sind. Vielleicht haben Sie auch schon Christen erlebt, die wahrhaftig sehr viel Schweres zu durchgehen hatten; seien dies nun scheußliche menschliche Beziehungen, oder Krankheiten, oder berufliche Rückschläge; die aber dabei dennoch strahlende, fröhliche und getroste Menschen sind und das auch ausstrahlen. Solche Menschen verkörpern das, das hier genannt ist: das augenblickliche Leichtgewicht der Drangsale. Wie kommen wir dazu?

Paulus bringt im nächsten Vers nach unserem Predigttext ein Bild dafür: Wir wissen, wenn unser irdisches Haus, diese Hütte abgebrochen wird, - und damit meint er unseren Leib - , so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel! Denken wir an einen Glockenguss. Die Glocke, - als Bild für unser Leben - , können wir nicht bauen und gießen, das schenkt und tut Gott. Aber, aus Gottes Gnade, dürfen wir mit viel Schweiß und Mühe, mit dem ganzen Einsatz unseres Lebens, an der Form für diese Glocke bauen. Das fordert uns ganz, wie z.B. bei einem, der alleine ein Haus baut. Diese Leichtigkeit der Drangsale ist nun darin gegeben, dass in unseren Vorstellungen schon die Glocke vor uns steht, die zur Ehre Gottes läuten darf. Und das hat nun nichts mit Vertröstung und Utopie zu tun, sondern mit der Realität Gottes, für die Christus der Bürge ist. Was wir bauen, wird einmal zerbrochen, weil es ja nur die Form ist. Wesentlich ist der Inhalt.

Als Christen haben wir da den vollen Durchblick und Weitblick. Wir kennen eine ganz andere Lebensbewältigung. Das gewaltige Fernziel unseres Lebens lässt uns schon in der Jugend sehr viele Nahziele bewältigen und lösen.

Edelsteine entstehen unter hohen Drücken. Edelmetalle gewinnt man nur mittels hohen Schmelzprozessen. So wachsen und reifen die Herrlichkeiten Gottes in einem Christenleben nur dann, wenn wir auch ja sagen zu den Leiden und Trübsalen unseres Lebens. Wir dürfen sie in rechter Weise bewältigen.

Ob z.B. ein Zentnersack Kartoffeln schwer oder leicht ist, ist immer nur im Vergleich zu anderen Gewichten und Kräften zu beurteilen. Für uns ist er schwer, für eine Maschine ist er leicht. Gemessen an unserer eigenen Kraft ist jede Drangsal schwer und unerträglich. Gemessen an der Kraft Gottes, der Herrlichkeit Gottes ist sie leicht und verschwindend klein. Für eine Frau ist jede Geburt eines Kindes eine Qual, aber die Freude über das Kind macht das erträglich und damit bewältigt sie diese Qual. Genauso verhält es sich mit unserem Stückwerk zu dem Vollkommenen, das Gott schenkt. Gott selbst wischt uns unsere Tränen ab, wenn unser Leben vollendet ist und er nimmt uns alles Leid, alles Geschrei und allen Schmerz.

Wir dürfen unserem Verfall positive Seiten abgewinnen. Uns müssen wahrhaftig alle Dinge zum Besten dienen. Nur wenn ein Samenkorn im Erdreich stirbt, erwächst daraus Neues. Das ist nicht Selbstaufgabe, sondern Selbsthingabe. Darin besteht das augenblickliche Leichtgewicht unserer Drangsale, dass wir um einen Plan Gottes über unserem Leben wissen, den Gott auch ausführt und vollendet. So ist es keine Tragik mehr, dass dann, wenn unser Leben von Gott vollendet wird, unser äußerer Mensch verfällt und stirbt. Dieses Wissen ängstigt uns nicht mehr, sondern gibt uns für jeden Tag unseres Lebens große Zuversicht.

 

2) Der innere Mensch wird von Tag zu Tag erneuert. In unserem Text ist da von einer ewigen und über alle Maßen gewichtigen Herrlichkeit die Rede, die im Unsichtbaren, im Verborgenen heute schon vorhanden ist. Weil unser Christenleben ein herrliches Ziel hat, ist uns heute schon eine ganz wertvolle Fracht anvertraut.

Haben wir schon gemerkt, wie gut wir da mit unserem Glaubensleben dran sind?!! Wissen wir, dass keine andere Lebensbewältigung, keine andere Religion zu dem Ziel führt, zu dem uns Christus führt? EG 406,3: Wo ist solch ein Herr zu finden, der, was Jesus tat, mir tut: mich erkauft von Tod und Sünden mit dem eignen teuren Blut? Sollt ich dem nicht angehören, der sein Leben für mich gab? Sollt ich ihm nicht Treue schwören, Treue bis in Tod und Grab?

Deswegen fängt unser Predigttext mit der Bestätigung an: Darum werden wir nicht müde! Das Geheimnis unserer Kraft, unserer Ausdauer und unserer Unverwüstlichkeit liegt darin begründet, dass das von Gott Kommende ein so unsagbar großes Übergewicht hat. Alle Rückschläge und Misserfolge können uns letztlich nichts mehr anhaben. Christus gibt uns eine Spannkraft, die über unsere Kräfte geht und steht. Das macht unser Leben durch die Führungen Jesu gegenwarts- und zukunftsträchtig. Da kann der äußere Mensch verfallen, da kann all das Sichtbare dagegen stehen, da können uns gewaltige Trübsale plagen; und doch erleben wir in unserem Innersten eine ständige Erneuerung, eine über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit und eine zwar unsichtbare, aber doch in alle Ewigkeit hineinreichende Wirklichkeit. Wir leben nicht auf unseren Tod hin, sondern auf die Zukunft und Ankunft Christi zu. Und damit irren wir nicht mehr ziellos durchs Leben, sondern jeder Tag und jede Tat hat seinen Sinn.

Gott hat die Regie unseres Lebens übernommen; er verwandelt unser Leben nach seinem Plan; er öffnet uns seine Fülle und lässt uns Teilhaber sein am Erbe Jesu.

Weil das so ist, überlassen wir ihm unser Leben; erkennen wir seine Führungsschritte, die wir dankbar annehmen; bekommen wir auch ohne Eigenmobilisierung einen langen Atem und eine große Festigkeit in Gott. Und somit müssen wir nie unseren eigenen Kopf durchsetzen und können doch Gewaltiges leisten. Aber es ist immer die Sache Gottes, dass er es macht und wie er es macht. Es ist geradezu ein Lebensgesetz der lebendigen Kirche, dass es nach außen hin scheint, ihre Flamme wäre am Verlöschen; und doch brennt sie immer weiter.

Im Text ist vom inneren Menschen die Rede. Aber das ist keine Größe aus mir selbst, wie es die Psychologie so gerne sieht, sondern das ist der werdende Christus im Christen. Das sieht man nicht. Das ist für den anderen nicht greifbar. Aber ich darf darum wissen. Ich darf damit rechnen, dass es geschieht.

Und dieser innere Mensch wird von Tag zu Tag erneuert. Das ist nun keine automatische Selbstverständlichkeit. Sondern nur wenn wir horchen, spricht Gott; und wenn wir gehorchen, handelt Gott. Dann öffnet mir Jesus die Augen, die Ohren und das Herz für seine Anliegen, für seine Ewigkeit und Herrlichkeit. Auch damit sind natürlich die inneren Augen, Ohren und Herzen gemeint. Hier erlebe ich Erleuchtungen und himmlische Erfahrungen, ein geistliches Lebensgesetz, darin die Kraft Gottes steckt. Und diese Kraft durchdringt, durchwirkt, durchgreift und durchglüht mein gesamtes Leben, auch die hintersten, finstersten Winkel.

Gott hat Größeres mit uns vor als das, das wir mit unserem irdischen Dasein bewältigen können. Somit lohnt es sich auch, Christ zu sein. Wir wissen, auch wenn wir es nie durchschauen können, um das Gesamtkonzept Gottes, in das wir mit hinein genommen sind.

Wer an sich diese innere Erneuerung von Tag zu Tag geschehen lässt, der erlebt Gottes Beistand und Führung. Dann sitzt Gott am Steuer und Ruder unseres Lebens. Damit kommen wir überall durch.

Hoffentlich merkt jeder von uns, wie gut er damit dran ist und wie gut er damit drauf ist. Unser Leben bekommt einen wertvollen Inhalt. Heilige Nüchternheit und nüchterne Heiligkeit sind erlebbare Erfahrungen unseres täglichen Lebens.

Weil Gott an uns und durch uns wirken kann; wir seine über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, die ewig ist, erleben; ist uns zum Jauchzen zumute: „Jubilate“.