EPHESER 4,11-15 (16); PREDIGT:

 

" Christus hat einige als Apostel eingesetzt. einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollende­ten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umher treiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, (16:) von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch die Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe. "

 

In keinem Satz wird etwas vom Heiligen Geist erwähnt. Und doch ist es ein Pfingsttext, der sehr viel mit dem Hei­ligen Geist zu tun hat. Denn wahre Kirche ist nur von » oben « her, von Christus, durch den Heiligen Geist, zu verstehen.

Die Gemeinde Jesu Christi ist etwas so Wertvolles, sodass es schade wäre, wenn sie in dieser Welt aufgehen würde. Sie entwickelt sich als eine eigene Größe, die nur die Insider, die Eingeweihten, mitbe­kommen. Ihr ist eine ganz starke Christusprägung gegeben. Den­noch steht sie positiv in allen Lebensgebieten.

Der Einzelne in der Gemeinde steht auf verantwortlichen Posten, den er ganz ausfüllen darf. Er steht positiv im Leben und darf die große Hoffnung Gottes vermitteln und Erstaunliches vollbringen. Aber sein Leben ist nicht mit weltlichen Maßstäben zu verstehen. Denn es sind einzig und allein geistliche Qualitäten, die ihn prägen und bestimmen.

Welche Schwierigkeiten und Nöte auch kommen, wir versuchen alles von Christus her zu sehen, zu verstehen und zu durchwirken. Wir lassen uns nicht von den vordergründigen Gegebenheiten be­drängen und bedrücken. Sondern wir lassen uns von den Vorhaben Gottes bestimmen, beschenken und beglücken. Denn Christus will nicht, dass wir untergebuttert werden, dass wir uns abquälen und umsonst abstrampeln. Sondern er will uns die innere Überzeugung, Faszination und Vollmacht schenken.

Bei der Auslegung Luthers zum ersten Teil des Vaterunsers sagt er zu jeder Bitte: Gott könnte das alles auch ohne uns tun. Aber er will es mit uns und durch uns vollbringen. Dazu hat Christus im Himmel und auf Erden alle Macht. Und er tut das durch den Heiligen Geist, der unserem Geist solches Zeugnis schenkt. Wie sich das Ganze abwickelt, dazu ist uns das sog. » Geistliche Leben « gegeben, das große Qualität besitzt. So viele Missstände es gibt, so viele Lösun­gen hat der Heilige Geist für uns bereit. Wir dürfen sie uns von ihm zeigen lassen.

Gott will nicht, dass unser Leben im Stumpfsinn dahin vegetiert. Denn er öffnet uns seine Vielschichtigkeit, seine Dimensionen, seine Chancen, seine Wege der Vollmacht und Vollendung. Rütteln wir nicht an den » unteren « Türen, an den Türen des Klagens, des Anklagens, des Hasses, des Streites, des Neides und der vielen an­deren finsteren Verhaltensweisen. Sondern knüpfen wir Verbindung zu den » oberen « Türen der göttlichen Liebe und Wahrheit, darin alle Schätze und Erbgüter Gottes enthalten sind. Diese Türen öffnen sich uns auch. Das Wirken des Heiligen Geistes ist das Geschenk des Unverhofften, des Unerwarteten und des uns unmöglich Er­scheinenden. Er öffnet uns das zur Zeit Mögliche und Nötige. Er lässt uns die Chancen des Augenblicks erkennen und ausnützen.

Gerade der Heilige Geist zeigt uns 1) Was uns verbindet; 2) Was uns gegeben ist; 3) Was wir tun sollen.

 

1) Der Heilige Geist zeigt uns, was uns verbindet (V 13.15bf)! Es sind zwei Bindungen genannt: die zu Christus und die zum Mit­christen. Christen sind keine Einzelkämpfer. Sie sind in eine große Siegesfront gestellt, die eine überwältigende Bewegung und Ge­meinschaft darstellt. Da ist etwas im Werden, im Kommen und im Siegen.

In dieser Welt sieht es ja düster und finster aus und da geht es brutal zu. Was ist da das Evangelium Gottes doch etwas sehr Wertvolles, Neues, Gewaltiges und Herrliches. In alle unsere unerfreulichen Angelegenheiten will Gott seine erfreulichen Schicksale und Zu­fälle schenken. Und der Heilige Geist ist dazu das Bindeglied zwi­schen uns und Gott und zu unseren Mitchristen.

Wer diese Möglichkeiten des Heiligen Geistes nützt, der vegetiert nicht mehr so dahin. Dessen Leben und Einsatz lohnt sich. Seine Lebensmitte muss er nicht mehr selbst bestimmen, weil diese von Christus ergriffen ist. Aus dem alten Gesangbuch wurden einige schöne Lieder nicht mehr übernommen. Eines davon ist das Lied, das hier ganz gut herpasst (EKG 265): Es glänzet der Christen in­wendiges Leben.... Diesen Glanz unseres Christseins können wir nicht selbst produzieren. Aber der Heilige Geist will ihn uns schen­ken; auch dann, wenn es uns gar nicht zum Glänzen zumute ist. Wer sich der Sonne Jesu Christi aussetzt, dessen Leben bekommt ein­fach diesen Glanz. Er wird davon geprägt, bestimmt und motiviert, auch aktiviert und mobilisiert.

Der Heilige Geist will uns das große Geschick vermitteln, Verbin­dung zu Christus und zu den Seinen aufzubauen und zu pflegen, zu praktizieren. Normalerweise wollen wir das nicht. Normalerweise steht unser » Ich « im Mittelpunkt. Zuerst komme » Ich «, dann noch einmal » Ich «, als Drittes auch wieder » Ich «. Und ganz am Schluss kommt evtl. auch Gott und mein Nächster. Das ist der Grund dafür, dass wir Menschen so schnell hochmütig oder verzagt sind. Der Heilige Geist gibt uns eine total andere Reihenfolge, die uns niemals etwas nimmt, sondern ein beständiges Leben vermittelt: Da kommt zuerst einmal unsere Verbindung zu Christus. Und das stellt eine enorme Aufwertung unseres Lebens dar. Gleichzeitig öff­net er uns die rechte Verbindung zu den Mitchristen, ohne Täu­schung, aber mit vielen Möglichkeiten. Beides macht die vollkom­mene Reife der Gotteskinder aus.

 

2) Der Heilige Geist zeigt uns, was uns gegeben ist (V11.14)! Es sind hier die Gaben aufgezählt, mit denen nach außen gewirkt wird. Natürlich gibt es noch viel mehr Gaben, die nach innen wirken, die man aber nicht aufzählen und nennen muss. Und weil jede Gabe auch missbraucht werden kann, ist er Vers 14 genannt: Wir sollen nicht unmündig sein. Wir sollen uns nicht von jedem Wind einer Lehre bewegen und umher treiben lassen. Wir sollen uns nicht durch trügerisches Spiel arglistig verführen lassen!

Es gibt menschliche und geistliche Gaben. Das Gleichnis Jesu von den anvertrauten Pfunden verdeutlicht dies: Gott vertraut uns das uns zugedachte Maß an. Mit unseren Gaben sollen wir das anwen­den und vermehren. Obwohl wir uns diese geistlichen Gaben nie verdienen können, denn sie sind einzig und allein Geschenk. So ist es doch wesentlich, diese zu erkennen, zu akzeptieren und zu ge­brauchen. Paulus sagt zweimal zu Timotheus: Erwecke die Gabe Gottes, die in dir ist! Lass diese nicht außer Acht! Es hat also etwas mit Achtsamkeit, Einsatz und Verantwortung zu tun. Und doch kommt es nicht auf irgend eine Leistung an. Sondern es ist mehr unser Dank für das, was uns alles geschenkt wird.

Ganz gewiss, klar und eindeutig, dürfen wir den uns bestimmten Weg gehen und den uns geschenkten Auftrag wahrnehmen. Und weil Gott kein Prinzipienreiter, sondern eine lebendige Größe ist, gilt es allezeit, für sein Reden und Handeln offen zu sein. Von » oben « her können wir unser Leben ganz anders einschätzen und ausnützen. Denn von daher erkennen wir die Gaben und Möglich­keiten Gottes, die uns normalerweise verschlossen sind. Da tun sich uns unverhofft Wege auf, die wir nie geahnt und für möglich gehal­ten hätten. Da wissen wir ganz klar und eindrücklich um das Rechte und Hilfreiche.

Alles, was uns normalerweise anekelt und trennt, das bleibt zwar bestehen, aber es verschwindet zur Unbedeutsamkeit. Und all das, das wir vor Gott erkennen, bekommt großes Gewicht und Realität. Und das ist uns dann Hilfe, Kraft und Schöpfung Gottes. Man kann schon sagen, dass uns eine Faszination Gottes überfällt, die Resignation oder Stagnation nicht mehr zulässt.

Blicken wir nach » oben «; heben wir unsere Augen auf zu Christus; tippen wir die Wand zur Ewigkeit Gottes an; dann erfahren wir durch den Heiligen Geist die Antwort, die Hilfe, die Lösung, das zur Zeit Mögliche und Nötige, seine Alternativen. Dann gibt uns Gott alles, was wir zur Zeit benötigen.

 

3) Der Heilige Geist zeigt uns, was wir tun sollen (V 12.15a)! So wesentlich unsere Verbindungen zu Gott und Mitmenschen sind (1); so wesentlich es ist, dass wir unsere Gaben erkennen und einsetzen (2); so geht es letztlich doch darum, dass wir Gott mit unserem gan­zen Leben zur Verfügung stehen; und er an unserer Stelle sein Reich bauen kann. Die Früchte unseres Lebens, die uns Gott schenkt, sind höchstens als Abfallprodukt für diese Welt gedacht. Aber sonst gelten sie für den Aufbau des Reiches Gottes: Damit die Heiligen zugerüstet werden; dadurch soll der Leib Christi gebaut werden!

Bei den echten Diensten beschenkt Gott durch uns unsere Nächsten. Echte Dienste befähigen uns, dem Nächsten das zu geben, was momentan von Gott her gesehen dran und nötig ist. So sind unsere Dienste ganz im Plan Gottes eingebunden. So benötigen wir dazu eine innere Intension und Eingebung. Die alte Ordensregel gilt allen Christen: Bete und arbeite! Das sind die Grundfesten unserer All­tagsbeziehungen. Dann schenkt uns Gott in allem Auf und Ab des Lebens ein gewisses Gleichmaß. Dann können wir wahrhaftig in der Liebe tätig sein. Dann tragen alle unsere Dienste den Stempel und die Unterschrift Gottes. Dann vollbringen wir freiwillig und freizü­gig das, was von uns verlangt wird und was nötig ist.

Auch unter den Christen schleicht sich oft Überheblichkeit ein, die Gift ist und mehr schadet als nützt. Da pochen viele auf ihr Amt. Da verweigern sie sich mancher Dienste, weil sie zu » Höherem « beru­fen sind. Da lassen sie die nicht gelten, die ein anderes Verständnis vom Christsein haben. Und sie merken zu spät, dass gerade durch sie alles gestört und zerschlagen wurde, was Gott tun wollte.

Aber es gibt auch die anderen, die » Stillen im Lande «, die treu und gewissenhaft im Dienste stehen und auf die man sich verlassen kann. Durch sie kann Gott kommen und handeln.

Weil das Christsein etwas total anderes ist, als wir Menschen es uns vorstellen, ist die Zubereitung und Zurüstung des Einzelnen ein weiter und manchmal auch mühsamer Weg. Man sagt: 5% der Zu­bereitung sind nötig, um Menschen zu Christus zu führen. Und 95% sind nötig, um ihn bei der Stange zu halten. Danach sind wir aber immer noch aufeinander angewiesen und füreinander da.

Wir müssen nicht den Gesamtüberblick haben. Den hat allein Gott. Aber die von uns verlangten Dienste vernachlässigen wir nicht. Gott gibt dazu das Gelingen und seinen Segen.

 

Die wahre Kirche erfährt das Handeln des Heiligen Geistes. Die Eingeweihten und Insider erfahren eine starke Christusprägung mit vielen geistlichen Qualitäten. Die damit verbundene innere Über­zeugung und Faszination gibt uns die Vollmacht für alle unsere Dienste. Haben wir allezeit diesen Blick nach » oben «. Nur das be­fähigt uns zum rechten Leben.