KOLOSSER 1,24-27; PREDIGT:

 

 

Das Amt des Apostels unter den Heiden:

„ Nun freue ich mich in den Leiden, die ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt, für seinen Leib, das ist die Gemeinde. Ihr Diener bin ich geworden durch das Amt, das Gott mir gegeben hat, dass ich euch sein Wort reichlich predigen soll, nämlich das Geheimnis, das verborgen war seit ewigen Zeiten und Geschlechtern, nun aber ist es offenbart seinen Heiligen, denen Gott kundtun wollte, was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. “

 

     Bei Gott gelten total andere Lebenswerte, als sie normalerweise erstrebt und gelebt werden. Und doch geben sie uns wesentlich mehr als das, das wir ohne Gott bekommen könnten. Nehmen wir dazu als Beispiel, was hier am Anfang genannt ist: Ich freue mich in den Leiden, die ich für euch leide! Wenn in dieser Art und Weise eine Werbeagentur für eine Firma wirbt: „Komme zu uns, dann lernst du das Leiden!“ Solch eine Firma kann gleich Konkurs anmelden, bevor sie überhaupt in Schwung kommt. Das ist also undenkbar, total falsch und irrsinnig. Aber Paulus wirbt so für die Gemeinde in Kolossä. Er spricht in unserem Text von den Heiligen, von dem Geheimnis der Herrlichkeit Gottes, von einem herrlichen Reichtum, von der einzig wahren Hoffnung, ja von der Offenbarung Gottes in unserem ganz persönlichen Leben, von Epiphanias, von der Erscheinung Christi unter uns. Und er betont dabei, dass dies über das Leiden geht; dass er sich persönlich freut, solche Leiden zu haben, und dass auch dies für die gesamte Gemeinde, für den Leib Christi gilt. Normalerweise ist das verrückt, aber doch für die Gemeinde wahr, die im Glauben an Jesus Christus steht.

     Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, kann man das aber doch stückweit begreifen und akzeptieren. In einer echten Familie halten die Eltern sehr vieles aus und setzen auch sehr vieles ein, auch sehr viel Herzblut, damit sich die Kinder recht entwickeln und heran wachsen können. Dasselbe kann man auch für die Lehrer und Ausbilder nennen. – In der Natur muss jede Pflanze und jedes Tier sehr viel erleiden und aushalten, um bestehen und sich fortpflanzen zu können. Da ist es oft sogar sehr hart, da gibt es harte Lebensgesetze, um sich zu bewähren. Da gehören Leiden und Bestand haben sehr eng zusammen.

     So kann man allgemein sagen: Was sich recht entwickeln will, muss etwas aushalten. Da muss man auch einmal Schicksalsschläge einstecken können. Da sagt man: „Was mich nicht umbringt, das macht mich stark.“ Oder: Es geht um den Aufbruch unseres Lebens, auch wenn zuvor ein Zerbruch stattgefunden hatte.

     Aber bei Gott bekommt das noch einmal eine andere Bedeutung. Da geht es nicht um eine brutale Härte, sondern um praktizierte Barmherzigkeit. Da wird nicht der belohnt, der sich durchsetzen kann, sondern der, der zu Jesus Christus ein großes Vertrauen aufbringt. Deshalb heißt es, 2. Korinther 12,9: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig! Da sind die Leiden nicht unsere Schwächen, sondern bewirken die Stärken, die uns Gott vermittelt.

     Um dieses Thema noch besser zu verstehen, wollen wir bedenken: 1) Leiden sind Kennzeichen der Gemeinde. 2) Das Ziel davon ist die Erscheinung Jesu unter uns. 3) Uns wird die Hoffnung der Herrlichkeit Gottes geschenkt.

 

     1) Leiden sind Kennzeichen der Gemeinde. Das hat nun nichts mit irgendeiner Art von Wehleidigkeit oder Selbstmitleid zu tun. Oft hat das Leiden für uns einen negativen Klang. Aber Paulus gibt ihm einen positiven Inhalt: Ich „freue“ mich in den Leiden, die ich für euch leide. Deswegen soll das Leiden nicht glorifiziert werden. Deswegen werden wir nicht leidenssüchtig. Für die richtige Art des Leidens können wir z.B. die Lebens- und Wirkensweise Jesu betrachten. Er führte kein bequemes Leben, sondern er setzte sich für die Menschen ein, für ihre Nöte, Ängste und Gottesferne. Er war darauf bedacht, alles zum Guten zu führen. Da brachte er viel Geduld und Ausdauer auf. Als Jesus dem Saulus vor Damaskus begegnete, sagte Jesus zum Hananias in Bezug auf Paulus, Apostelgeschichte 9,16: Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen! Nach vielen, vielen Jahren sagt dann Paulus selbst: Ich freue mich über die Leiden, die ich für euch leide und erstatte an meinem Fleisch, was den Leiden Christi noch fehlt. Er ist um des Evangeliums willen bereit, auch leidvolle Verhältnisse zu durchgehen und zu durchstehen, damit das Evangelium weiter getragen wird.

     Das Wort Zeugnis kommt von dem Wort Martyria, Martyrium. Damit bewähren wir uns in unserem Christsein und Glauben. Damit sind wir voll für Christus und sein Evangelium verfügbar und verpflichtet. Da bringt uns nichts aus der Fassung.

     In einem alten Lied heißt es, EKG 305,2: Unter Leiden prägt der Meister, in die Herzen, in die Geister, sein allgeltend Bildnis ein. Und Eva von Thiele Winkler sagte: Es geht nicht darum, dass wir dem Leiden entgehen, sondern dass es seinen Sinn und Zweck erreicht. Der Hebräerbrief sagt, 12,5f: Mein Sohn, achte nicht gering die Erziehung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt. Jede Erziehung hat den Sinn, dass etwas besser werden kann und darf.

     So könnte man zuerst einmal zwei Gründe für das rechte Leiden nennen: Es dient meiner persönlichen Erziehung, dass ich auf dem rechten Weg bleibe. Und es dient dazu, dass wir Boten Gottes für seine Liebe und Barmherzigkeit in dieser Welt sind und bleiben. Seien wir da nie leidensscheu, sondern leidenswillig, wenn dies dazu nötig ist. Echte Leiden verhelfen uns dazu, dass wir mit einer demütigen Haltung in der Nachfolge Christi bleiben. Man gibt eben sein Äußerstes für dieses Höchste. Das Gemeinwohl steht über dem eigenen Wohl. So sind die Leiden das Kennzeichen der Gemeinde.

 

     2) Es wird noch ein dritter Grund für das rechte Leiden genannt: Das Ziel davon ist die Erscheinung Jesu unter uns – Epiphanias! Davon handeln die meisten Verse unseres Textes. Diese Erscheinung Jesu ist unter uns „das“ Weltereignis Nr. 1. Natürlich erkennen das nur die Christen, so wie es Paulus vor Damaskus erlebte. Gott bringt viel Arbeit und Geduld auf, dass noch viele Menschen darauf stoßen. Bei jeder Generation neu setzt er sich ganz ein, und das nun schon seit Jahrtausenden. Auch wir Christen geben uns dafür her, dass noch viele Christus als ihren persönlichen Herrn annehmen und auf diesem Weg bleiben.

     Mit der Erscheinung Jesu in unserem Leben wird uns eine neue, bessere Lebensqualität geschenkt. Da wird wahrhaftig alles neu. Da wächst und reift in uns ein total neues Leben. Paulus sagt hier: Ich predige euch reichlich das Wort Christi. Dieses Geheimnis, das seit ewigen Zeiten und Geschlechtern verborgen war, ist nun seinen Heiligen offenbart. Ganz kurz gesagt: Gott und wir bringen viel Geduld und Liebe auf, dass wir Menschen lebendige Erlebnisse mit Jesus haben, dass darauf unsere Nase gestoßen wird, dass diese Beziehung nie mehr abreißt und uns lieb und wert ist, dass wir ihn nie mehr vermissen möchten.

     Epiphanias, Erscheinung Jesu: Er ist und bleibt die Mitte unseres Lebens und Wirkens. Hier haben wir das wahre Glück gefunden, das wahre Leben, eine andauernde Freude und Wonne. Dieses Lebensglück bestimmt nicht nur unser irdisches Leben, sondern wird ins Unendliche gesteigert und prägt damit unsere ganze Ewigkeit. Das ganze Lebenswerk des Paulus diente dieser Erscheinung Jesu. Dafür wirkte und litt er. Die ganze Kirchengeschichte bis herein in unsere Zeit und auch darüber hinaus dient der Erscheinung Jesu, auch dieses Jahr 2012. Eine noch höhere, größere und wichtigere Botschaft gibt es nicht. Alles andere ist dem untergeordnet. Gott will bei dem einzelnen Menschen Einkehr halten, zu ihm kommen, dessen Leben mit seinem Licht durchfluten, ihm Erleuchtungen und selige Erkenntnisse schenken und zukommen lassen. Mit Christus kommt das uns Menschen ursprünglich zugedachte Leben zu uns zurück. Da finden wir zu dem, das sich Gott über uns erwählt und erdacht hat. Wenn wir uns dem öffnen, dann tun wir etwas ganz Besonderes und Wichtiges, obwohl dann Gott die Hauptarbeit in uns vollbringt. So ist dieses dritte Ziel des rechten Leidens die Erscheinung Jesu in uns und durch uns.

 

     3) Uns wird die Hoffnung der Herrlichkeit Gotts geschenkt. Das ist der letzte Satz unseres Predigttextes. Damit wird das näher bezeichnet, was die Erscheinung Jesu in uns bewirkt. Ein Bibelübersetzer hat das Wort Hoffnung übersetzt mit: „Über den Horizont hinaus schauen!“ Deswegen entfliehen wir nicht unserem Alltag, aber wir schauen darüber hinaus in die Herrlichkeit Gottes. Und da dürfen wir überwältigende Erlebnisse haben. Paulus bezeugt in 2. Korinther 12,4: Ich wurde in das Paradies entrückt und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann! Solche Erlebnisse kann nur jeder Christ für sich selbst erleben. Sie sind so groß und überwältigend, dass man sie nicht mit menschlichen Worten beschreiben kann, auch wenn man das möchte. Aber man kann jeden Menschen raten, dies selbst auszuprobieren, sich selbst diesen Begegnungen mit Jesus hinzugeben. Dann bleiben auch bei ihm solche Erlebnisse nicht aus. Da bahnt sich wahrhaftig eine total neue Lebensqualität an, bei der uns Gott seine große Herrlichkeit zeigt, die hinter unserer Lebensbühne vorhanden ist. Es gibt diese göttliche Lebensfülle, Wunderkraft und Lichtglanz, diese Doxa, die Herrlichkeit Gottes. Da sind unsere Leiden ein Klacks dagegen. Sie sind natürlich vorhanden, aber genauso vorhanden ist diese Herrlichkeit Gottes, die unsere Leiden weit übersteigen und übertreffen. Deswegen kann die Bibel sagen: Unsere Leiden währen nur 10 Tage, die Herrlichkeit Gottes aber eine Ewigkeit. Das ist auch der Grund dafür, dass uns Gott eine ungeheuer große Lebenskraft schenkt und vermittelt. Alles bekommt seinen rechten Sinn und Inhalt. Nichts tun und durchleben wir umsonst. Das sind die Lebenserfahrungen der Nachfolger Christi. Jeder bekommt hierzu seine ganz persönliche Chance, die er ergreifen und ausleben darf und kann. Nur er selbst kann sich da im Wege stehen, aber kein anderer und keine noch so schlechte Lebenssituation. Jesus Christus eröffnet und ermöglicht uns das, was zurzeit nötig und dran ist. Da müssen wir selbst nicht arrangieren, sondern uns lediglich ganz öffnen. Dann kommen wir von einer Klarheit zur anderen und von einer Herrlichkeit zur anderen. Da sind wir von den Möglichkeiten Gottes fasziniert. Da finden wir wahre Erfüllung, Freude und wahres Glück. Da werden uns wahrhaftig alle unsere Tränen, die natürlich vorhanden sind, immer wieder getrocknet. Und wir können die Worte des Psalmisten nachsprechen, Psalm 126,5f: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten, Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben. So ist uns die Herrlichkeit Gottes nicht mehr fremd, keine Utopie, sondern erlebbare Realität. Diese Erlebnisse sind Geschenke Gottes, die wir annehmen und die uns volles Genüge vermitteln. Was wir zum erfüllten Leben brauchen, wird uns dabei gegeben. So erzeigt sich uns Gott als eine Größe, die nicht mehr übertroffen werden kann. Wir schauen über unseren Lebenshorizont hinaus. Uns wird die Hoffnung der Herrlichkeit Gottes geschenkt.

 

     So gelten bei Gott total andere Lebenswerte, als sie normalerweise erstrebt und gelebt werden. So können auch wir uns in den Leiden freuen, die wir für andere erleiden. Unser Ziel ist die Erscheinung Jesu unter uns. Und Jesus vermittelt uns die Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. Epiphanias: In der Erscheinung und Erleuchtung Jesu erleben wir die wahren Werte des Lebens.