Johannes 11,47-53; Predigt:

 

„ Die Hohenpriester und die Pharisäer versammelten den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute. Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts; ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe. Das sagte er aber nicht von sich aus, sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk, und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen. Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten. “

 

Es gibt ein Echtheitszeugnis für die Gemeinde Jesu Christi: Wenn sie ganz dem Evangelium lebt, treten immer auch Gegner auf. Diese Welt ist eben nicht Gottes Reich. Da können wir uns noch so sehr abgrenzen. Es gelingt uns nicht, die ungerechte Welt auszugrenzen. Und das gilt nicht nur in Bezug auf unsere Nächsten, sondern auch für uns ganz persönlich. Auch in uns sind diese Interessen der Welt vorhanden. Oft kämpfen in uns zwei Mächte. Und da gilt es aufzupassen, sich zu wappnen, sich immer wieder neu auszurichten und wesentliche Entscheidungen zu fällen.

Gott will, dass wir diesen Lebenskampf in rechter Weise durchstehen und bestehen. Er will, dass wir in rechter Weise in der Kampfbahn laufen. Er zeigt und gibt uns alles, was wir dazu benötigen. Er will nicht, dass wir – wie Paulus es einmal sagt – gegen die Luft schlagen; dass wir in falscher Weise leben und laufen. Er will nicht, dass wir Zuschauer sind oder uns treiben lassen. Noch weniger will er, dass wir aufgeben, versagen oder gar verzagen.

In kritischen Zeiten und Situationen gibt er uns die geistliche Waffenrüstung. Allezeit dürfen wir auf der Seite der Sieger stehen. Für die täglichen Belange des Lebens gibt er uns seine starke Zuversicht und eine klare, eindeutige Standhaftigkeit.

Gerade das ruft, - so traurig das ist -, die Gegner auf den Plan. Denn das ärgert die anderen. Da schlagen sie wie wild um sich. Da unternehmen sie alles, um hier dagegen zu steuern. Da sind auf einmal alle unrechten Weisen recht, mit denen sie argumentieren und hantieren. Und weil sie damit nichts ausrichten, werden sie noch wilder und brutaler und radikalerer.

So erging es damals Jesus und zu allen Zeiten ergeht es so der praktizierenden Gemeinde Jesu Christi. Manchmal geschieht das in noch humaner, verborgener Weise; manchmal aber auch in brutaler, offener Weise. Die Missionswissenschaftler nennen eine Zahl zwischen 100 000 und 300 000 Märtyrer, die jährlich um des Glaubens willen getötet werden.

Jesus verheimlicht uns nicht diese Tatsache. Er sagt: Wer sein Leben erhalten, finden will, der wird`s verlieren. Wer es aber um meinet oder um des Evangeliums Willen verliert, der wird das wahre Leben finden und zum ewigen Leben erhalten. Es gibt noch nicht die Freiräume, in denen wir nicht mehr angefochten oder versucht werden. Und immer wieder gibt es Menschen, die uns belästigen und Schaden zufügen wollen. Dennoch stehen wir niemals in einem Kampf gegen Menschen oder gegen irgend eine Sache. Sondern wir stehen im Kampf für das Evangelium, für die frohe Botschaft Jesu Christi. Das gibt uns dreierlei zu bedenken: 1) Diese Welt ist und bleibt die von Gott abgefallene Welt. Für sie ist das Recht, was ihnen nützt. 2) Verkündigung, Zeugnis hat immer mit Martyrium zu tun, mit Leiden. Da gilt es, etwas durchzustehen. 3) Dennoch bewirkt Gott das Neue und Beständige, das sogar die Gegner indirekt unterstützen müssen.

 

1) Diese Welt ist und bleibt die von Gott abgefallene Welt. Für sie ist das Recht, was ihnen nützt. Das gilt vor allem für die, die ein leitendes Amt inne haben, egal ob es da um den Staat oder die Kirche handelt. Beide stehen in derselben Gefahr. Im Paradies gab es das schönste Leben, von dem wir nur träumen können. Nur an zwei Stellen gab es Verbotenes. Und gerade das weckte das Interesse von Adam und Eva und brachte sie zu Fall. Auch heute verläuft in dieser Beziehung das Leben genauso. Unser Interesse wird immer wieder auf das Verbotene gelenkt. Und wer seinen Halt nicht in Gott hat, der verfolgt diese Interessen mit großer Schläue und Elan. Luther bezeichnet das in seinen Auslegungen zu den Geboten folgendermaßen: Da versucht man mit falscher Ware oder Handel das Geld oder Gut des Nächsten an sich zu bringen (7.Gebot). Da belügt, verrät, verleumdet man den anderen und verdirbt seinen Ruf, bis hin zum Rufmord (8.Gebot). Mit List versucht man nach dem Erbe oder Haus des anderen zu trachten und mit einem Schein des Rechts an sich zu bringen (9.Gebot). Jeder Tag gibt genügend Anlässe, bei denen wir Menschen in falscher Weise handeln können. Und es ist einfach ein ungeschriebenes Gesetz, dass dies in besonderer Weise die praktizierenden Christen zu spüren bekommen.. Denn sie sind die, die etwas Anderes leben und erleben. Und das ärgert die Menschen, die das nicht haben. Jesus tat damals so viel Gutes. Und als er sogar den verstorbenen Lazarus auferweckte, da war für seine Gegner, die Hüter des Gesetzes, das Maß voll. So beschlossen sie, Jesus zu töten.

Kommen wir ja nicht auf den Gedanken, dass sie da im Auftrage Gottes handelten. Das war eindeutig im Auftrag des Bösen, des Satans. Jesus, der ja immer alles wusste, hatte dies lediglich vorausgesehen. Schon beim Sündenfall heißt es als Voraussicht: Die Schlange wird ihn in die Ferse stechen; und doch wird dabei der Kopf der Schlange zertreten (1. Mose 3,15). Und die Aussagen der Offenbarung deuten darauf hin, dass das Neue nur dann kommt, wenn das Alte vergeht, untergeht.

Recht ist, was nützt! Da steht eben oft das Böse gegen das Gute. Da verträgt die Lüge nicht die Wahrheit. Da folgt man nur den Lehrern und Führern nach, die einem das Blaue vom Himmel versprechen, obwohl man weiß, dass nicht die Wahrheit dahinter steht.

Wenn sogar Jesus selbst diesem Treiben ausgeliefert war, so ergeht es auch uns nicht anders. Wo die Lüge Trumpf ist, da schweigt die Wahrheit. Wo sich Menschen einig werden, einen anderen unterzubügeln und eines auszuwischen, da halten sie zusammen. Denn diese Welt ist und bleibt die von Gott abgefallene Welt.

 

2) Verkündigung, Zeugnis hat immer mit Martyrium zu tun, mit Leiden. Da gilt es, etwas durchzustehen. In der Bergpredigt sagt Jesus sogar: Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich. Während beim Punkt 1) der Blick mehr auf die Gegner Gottes gelenkt war, stehen hier mehr wir Christen im Mittelpunkt. Praktizierende Christen kommen immer und immer wieder in Gott zur Ruhe. Damit, nur damit bekommen wir große innere Kräfte. Auch Jesus musste in Gethsemane erst einmal in Gott zur Ruhe kommen. Dann konnte er wie ein König die ganze Passionszeit durchstehen. In Jesaja 50 stehen hierfür markante Sätze: Alle Morgen weckt mir Gott das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. So bin ich nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott, der Herr, hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum habe ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde!

Solches Leiden, Erleiden hat nichts mit Wehleidigkeit zu tun, sondern einzig und allein mit einer klaren, inneren Ausrichtung auf Gott und seine Aufträge, die er uns gibt. So müssen wir uns nicht mehr nach jeder Meinung der Menschen ausrichten. Wir müssen unsere Lebensfahne nicht nach dem momentan wehenden Wind richten. Auch die Stürme des Lebens werfen uns nicht mehr um. Sie wehen deshalb genauso fest. Aber wir sind so in Christus gefestigt, sodass wir festen Grund unter unseren Füßen haben. Wir dürfen und können den Weg gehen, den uns Christus vorzeichnet. Sogar der Unverstand unsrer Nächsten muss letztlich unterstützen, was Gott von uns will. Deshalb hat sie ja Gott verstockt. Auch wenn uns die Tatsache sehr schmerzt; aufhalten kann sie uns nicht.

Man sagt ja: Gottes Mühlen mahlen langsam, aber trefflich fein. D.h. es geht stetig und gewiss weiter, so wie es Gott zur Zeit für uns vorgesehen hat. Und dafür stehen wir ihm ganz zur Verfügung.

Christen stehen auf der Seite Gottes und dienen damit dem Guten. Wir kennen den Willen Gottes, der sich immer erfüllen und bestätigen wird. So genügt unser Glaubens- und Liebesgehorsam, mit dem wir unsere Tage durchgehen und bestehen. Wir brauchen nicht Gott unter die Arme zu greifen, damit sein Wille geschieht. Noch weniger müssen wir die Rechtsanwälte Gottes sein. Das dürfen wir getrost ihm selbst überlassen. Es genügt unser Zeugnis von dem, was er uns sagt. Was dann nicht möglich ist, da heißt es: Lass los; lass ledig, gib frei. Aber immer ist auch etwas möglich, mit dem wir genügend zu tun haben. Und da heißt es dann: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus. Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn. Und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut. (Jesaja 58). Damit ist unser Leben voll ausgefüllt, auch und gerade dann, wenn es dabei etwas durchzustehen gilt, und Martyrium, Leiden auf dem Tagesplan steht.

 

3) Gott bewirkt das Neue und Beständige, das sogar die Gegner indirekt unterstützen müssen. Bei Jesus bewahrheitet sich die Verheißung, die Johannes der Täufer ausgesprochen hatte: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Unser Leben trägt andere Verheißungen. Und jeder Christ darf für sich persönlich wissen, was Gott ihm verheißt. Und das erfüllt sich. Trotz vieler Widerlichkeiten geht es zielstrebig weiter.

Wir wissen nur zu genau, dass ein Leben ohne Einsatz tot ist, und damit verwerflich und sinnlos. Genauso wissen wir, dass jeder Einsatz für das Eigene falsch und töricht ist und nicht zum gottgewollten Ziel führt. Nur unser Einsatz für die Ziele des Reiches Gottes ist sinnvoll, lebensfördernd und hilfreich für alle Beteiligte. Das ist auch der geheime Tipp dafür, dass unser Leben geschmeidig bleibt und wir allezeit eine Lebenshoffnung haben.

Gott öffnet uns die Augen für das Rechte, für das zur Zeit Mögliche. Auch öffnet er die dazu nötigen Türen und bereitet die Wege, damit wir weitergehen können. Und wenn es nötig ist, greift er uns unter die Arme, geht er uns voran und zieht uns weiter. Nicht zu Unrecht sagen wir Christen, dass unsere Zufälle und Schicksale nur von Gott kommen, er sie uns zufallen lässt und schickt.

Auch wenn wir in Bezug auf manche Geschehnisse sagen: Muss das denn sein? Ginge es nicht anders? Wie ist so viel Dummheit nur möglich? So wissen wir doch allezeit, wie wir uns zu verhalten haben. Immer haben wir die Möglichkeit, uns in rechter Weise zu entscheiden und unsere Lebenstage zu bestreiten. Wir müssen das Dumme, Törichte und Böse nicht mitmachen. Was uns Gott eröffnet und ermöglicht, das kann niemand mehr hindern. Und genauso gilt: Was Gott verschließt und verhindert, daran sollen wir nicht rütteln, ja nicht einmal einen Blick oder Gedanken verlieren. Lots Familie musste aus Sodom und Gomorra fliehen und sollte nicht mehr zurück sehen. Lots Frau beachtete das nicht und wurde deshalb zur Salzsäule, versteinert. Und wie viel versteinerte Menschen gibt es!

Also beweinen wir nicht das, was nicht möglich ist. Sondern wenden wir unsren Blick nach vorne, was nach unserer Erfahrung von Gott gewollt und gegeben ist. Denn gerade das trägt die Verheißung, dass Gott Neues und Beständiges schafft, das sogar unsere Gegner indirekt unterstützen müssen.

 

Es gibt kein besseres, - wenn auch bedauerliches -, Echtheitszeugnis der Gemeinde Jesu Christi: Wenn sie das Evangelium lebt, treten immer auch die Gegner auf. Dabei geht es aber nicht um unsere eigene Ehre, wie es im weltlichen Sinne heißt: Je mehr Feinde, desto mehr Ehre! Sondern uns geht es einzig und allein um das Bezeugen des Evangeliums. Und das ist für uns und unsere Nächsten eine frohe Botschaft. Dafür nehmen wir manches in Kauf, wenn nur Christus damit geehrt wird.