Lukas
24,44-53; Predigt am Himmelfahrtstag:
Jesus sprach zu den Jüngern: Das sind meine Worte, die ich zu
euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles
erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des
Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen
das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden, und sprach
zu ihnen: So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und
auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt
wird in seinem Namen Busse zur Vergebung der Sünden unter allen
Völkern. Fangt an in Jerusalem, und seid dafür Zeugen. Und
siehe, ich will auf euch herab senden, was mein Vater verheißen
hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet
werdet mit Kraft aus der Höhe. Er führte sie aber hinaus bis
nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es
geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen
Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach
Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und
priesen Gott.
Am
damaligen Himmelfahrtstag wurde Jesus zum Dienst für die
weltweite Gemeinde ordiniert, eingesetzt. Sehr weltlich
gesprochen: An diesem Tage ratifizierte, genehmigte das Parlament
Gottes das Osterprogramm Jesu. Nun tritt für die Art und Weise
des Dienstes Jesu eine starke Wende ein: Während er vorher auf
dem Weg des Gehorsams für uns den Weg der Erlösung bahnte,
sozusagen den Weg in den Himmel Gottes. So kommt er seit
Himmelfahrt von diesem Himmel zu uns Menschen herab und geleitet
uns ganz persönlich zum Himmel Gottes. Seit Himmelfahrt ist kein
Christ auf dieser Erde mehr alleine gelassen. An jedem Ort, bei
jedem Menschen und zu allen Zeiten ist Christus gegenwärtig und
schenkt uns seine Hilfen. Gerade für uns Christen verbindet
Jesus Christus sinnvoll Himmel und Erde miteinander. Gerade dazu
hat er alle Macht im Himmel und auf Erden. Gerade dazu ist er der
Herr, der Kyrios, über alles geworden.
Seit
Himmelfahrt benötigen wir Christen keine Selbsthilfen, keine
Selbsterlösung und keine Selbstfindung mehr. Denn alles, was wir
suchen, das schenkt Christus in überwältigender Weise den
Seinen. Er schenkt uns die höchste Stufe der zur Zeit möglichen
Verquickung mit Gott. Das übersteigt alle unsere Erwartungen.
Christus
darf für uns Christen eine sehr lebensnahe Größe sein. Mit ihm
können wir alle Lebensphasen durchgehen, durchstehen und
bewältigen. Seine Führungen sind höchsterquickende Erlebnisse.
Er bestimmt nun in sehr positiver Weise unsere Zeit, unsere
Geschichte, die Heilsgeschichte, das Tempo und die Stunde der
Erfüllung und Vollendung. Wir dürfen uns ganz in seine
Handlungen mit hinein nehmen lassen.
Wer
im Aufblick zu diesem Himmel Gottes lebt und diese Verbindung nie
abreißen lässt, der erlebt im Alltag die mächtige Hand Gottes
und fällt nie aus Gottes gnädiger und gütiger Führung. Gerade
wir Christen dürfen diese Macht und diesen Einfluss Christi
erkennen und akzeptieren. Er führt uns zur gottgewollten
Vollendung unseres Lebens.
Jesu
Himmelfahrt ist niemals ein Erinnerungsfest an vergangene Zeiten,
sondern ein sehr aktuelles Erlebnis des gegenwärtigen Christus.
Wir bestaunen nicht ein Denkmahl, sondern wir erleben den
lebendigen Gott mit seinen Stärken, mit seinen Zusagen und mit
seinem Geleit. Trotz der seit Himmelfahrt Verborgenheit und
Unsichtbarkeit Jesu hat er eine durchschlagende Botschaft. Daraus
erwächst etwas Gültiges und Beständiges. Daraus entsprang all
das, das wir mit der Kirchengeschichte bezeichnen. Das ist eine
sehr bewegte Geschichte Gottes mit uns Menschen, die sehr viel
bewirkte und immer noch viel bewirkt. Wo Jesus in unserer Zeit am
Wirken und im Kommen sein kann, das hat von der Ewigkeit her
gesehen Hand und Fuß. Das bewirkt etwas Beständiges und Ewiges.
Auch wenn damit eine ganz andere Wertigkeit verbunden ist, so
erfüllen sich dadurch in uns die Verheißungen Gottes. Und wir
erleben fröhliche, erfüllte und gesegnete Tage und
Tätigkeiten. Da leben wir letztlich heute schon dem
Zukünftigen, ohne dass wir das Heute vernachlässigen. Es ist
eben ein erfülltes Heute, ein mit Sinn gefülltes Heute, ein
überglückliches Leben mit vielen Aufgaben und Aufträgen.
Man
kann diesem Himmelfahrtstext vier klare Punkte entnehmen, die das
Werk Jesu zusammenfassen: 1) Rückwärts blickend: Jesus
vollendete das Uralte, er erfüllte die Schrift. 2) Vorwärts
blickend: Für die Zukunft schenkt er uns eine vollkommene
Hoffnung. 3) Für unser Heute erleben wir einen Jesus, der
priesterlich und segnend wirkt. 4) Wir wissen um einen lebendigen
Gottesdienst, voll Freude und Lobgesang.
1)
Rückwärts blickend: Jesus vollendete das Uralte, er erfüllte
die Schrift (Verse 44-46). So wie sich Gott seit Anfang der
Schöpfung diese Welt dachte, so erfüllte Jesus diese uralten
Vorstellungen Gottes. Das ganze Alte Testament zeugt von einer
sehr bewegten Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel. Daraus
scherte Jesus nicht aus. Er brachte die Erfüllung des Gesetzes
und der Propheten, aller Verheißungen und Forderungen Gottes. Er
begab sich in die Hände Israels und starb für sie.
Für
uns heute heißt das, dass die Bibellese sehr wesentlich ist. Wer
wachsam und unter Gottes Geist die Bibel liest und die
Kirchengeschichte betrachtet, für den tun sich darin die
Wirklichkeiten des Himmels, des Reiches Gottes auf. Gerade darin
erfahren wir Gottes Beständigkeit und damit den Sinn und den
Auftrag auch unseres Lebens. Gerade unsere Bibellese unter Gebet
ist eine lebensforschende Beschäftigung. Hiermit haben wir die
Möglichkeit, uns dem wahren Leben zu öffnen und es in uns
aufzunehmen. Hier trinken wir von der wahren Quelle des Lebens.
Damit leben wir nicht wirklichkeitsfremd, sondern sehr
wirklichkeitsnah. Damit verbinden wir wieder beides miteinander:
Welt und Himmel. Damit knüpfen wir wieder Verbindung mit dem
Paradies.
Das
Neue ist nie vom Alten zu trennen, die Erfüllung nie von der
Verheißung. Die Vollendung ist nie ohne die Väter und Mütter
des Glaubens zu haben. Am liebsten arbeitet Jesus heute auf der
Basis der uralten Schöpfung. Von Gott her gesehen gibt es eine
konsequente Linie seines Handelns und Wirkens, die wir am besten
aus der Bibel heraus erfassen können. Nur was in diese Linie
hineinpasst, hat auch für die Zukunft Verheißung. Alles andere
vergeht wieder.
Somit
ist es nicht verwunderlich, dass Jesus hier bei seinem Abschied
er nochmals ein großes Gewicht auf die Schrift legt. Denn sie
ist's, die von ihm zeugt. Darin finden auch wir ihn und mit ihm
das wahre Leben, die Lebenshilfen, die Zukunftsaussichten und die
möglichen Lebensstützen. Gerade die Schätze der Bibel
vermitteln uns das göttliche Erbe. Darauf kann man aufbauen.
Hier finden wir die Glaubensrücklagen Gottes, das nötige
Rüstzeug für unser Glaubensleben. Solches Rückwärtsblicken
ist sinnvoll.
2)
Vorwärtsblickend: Für die Zukunft unseres Lebens schenkt uns
Jesus eine vollkommene Hoffnung (Verse 47-49). Wer hat heute noch
Hoffnung für die Zukunft seines Lebens, für die nächste
Stunde, für den nächsten Tag, für das nächste Lebensjahr,
für den nächsten Berufsabschnitt, für seine Mitmenschen, für
die Arbeitslosen, Hungernden, Unterdrückten und allen
Benachteiligten; für die Einsamen, Alten und Kranken; und für
die Verirrten? Wer hat da noch Hoffnung? Wir Christen dürfen
diese Hoffnung haben!
Es
mag uns eigenartig vorkommen, aber dahinter steckt ein großer
Sinn, wie Jesus diese Zukunftshoffnung darstellt: Seid Zeugen
für die Busse zur Vergebung und für die Kraft aus der Höhe!
Ich
denke, dass jeder von uns etwas von dem Aufruf unseres
Bundespräsidenten Herzog gehört hat, dass wir uns nicht gehen
lassen, sondern uns aktivst den Aufgaben stellen sollen. Darauf
kann man nun die verschiedensten Reaktionen feststellen. Die
einen schieben die Schuld auf die anderen. Aber jeder sieht ein,
dass das überhaupt nichts bringt. Die anderen lassen sich so
etwas sagen und ändern sich. Dasselbe meint hier Jesus bei
seinem Abschied. Beides gehört zusammen: Busse und Kraft; Umkehr
und Neuausrichtung; Bitte um Vergebung, wo wir etwas falsch
gemacht haben, und das Ergreifen der vielen Möglichkeiten, die
uns Gott gibt; Absage an Sünde, Tod und Teufel, und Angeloben an
Jesus, dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens.
Mit
Jesu Himmelfahrt begann für die damaligen Jünger ein ganz neuer
Abschnitt der Heilsgeschichte Gottes. Wir können da heute schon
auf eine fast 2000-jährige Kirchengeschichte zurückblicken.
Aber auch für uns ist diese Heilsgeschichte noch nicht zu Ende.
Gott hat sehr wohl die Möglichkeit, uns den Zugang zur Zukunft
unseres Lebens zu ermöglichen, damit wir sie sinnvoll gestalten
können.
Buße
heißt da nicht nur Umkehr, sondern auch: Entleerung unseres
Lebens. Gott kann unser Lebensgefäß nur dann füllen, wenn wir
es vorher entleert haben. Unsere Hände kann er nur führen, wenn
wir alles andere fahren lassen. Er kann uns nur dann vorangehen,
wenn wir die anderen Wege verlassen und seinen Fußstapfen
folgen. Dann erleben wir für die Zukunft unseres Lebens eine
vollkommene Hoffnung.
3)
Für unser Heute erleben wir einen Jesus, der priesterlich und
segnend wirkt (Verse 50+51). Als Christen erleben wir ein
gesegnetes Heute. Was heißt das? Natürlich erleben wir auch den
Fluch, das Widergöttliche, die Sinnlosigkeit, die Langeweile,
den Stumpfsinn und vieles andere mehr. Von christlichen
Künstlern sagt man, dass sie ihre größten Werke dann
geschaffen hatten, als sie in gewaltigen inneren Spannungen
lebten. Sie hatten diesen Spannungen nicht in primitiver Weise
nachgegeben, sondern sie positiv in ihre Werke umgesetzt. Gerade
da gab ihnen Gott die Gnade, etwas Grosses zu schaffen. In dieser
Weise dürfen auch wir Christen Lebenskünstler sein. Das geht
nur unter dem Segen Gottes. Das geht nur, wenn wir uns in die
Stille vor Gott hinausführen lassen. Solche Gottesbegegnungen
sind unsere lebendigen Gottesbeziehungen.
Oft
erkennt man den Segen Gottes erst dann, wenn etwas zu Ende ist
und geht. Ein Künstler sieht den Segen Gottes erst nach der
Vollendung seines Werkes, wenn eigentlich schon wieder ein neues
Werk beginnt. Im Gottesdienst steht der Segen am Schluss des
Gottesdienstes, wenn es wieder in den harten Alltag geht. So ist
der Segen Gottes nicht ein Ausruhen vom Geschaffenen, vom
Erreichten, sondern die Befähigung, uns dem Neuen öffnen und
widmen zu können.
Wer
sein Christsein nur auf dem aufbauen will, was er bis jetzt
erlebt hat, der lebt falsch. Wer das bisher Erlebte konservieren
will, steht nicht mehr unter dem Segen Gottes. Auch Jesus ist
nicht zurückzuhalten. Und es ist eine uralte Lebenserfahrung,
dass das Leben nicht stehen bleibt, sondern weitergeht. Es
gehört dazu, dass immer wieder etwas Neues kommt. Halten wir da
nichts gewaltsam fest. Was gestern richtig war, kann heute schon
überholt und falsch sein. Auch das Rad der Heilsgeschichte kann
man nicht zurückdrehen.
Dazu
ist uns der Segen Gottes gegeben, dass wir damit das momentan
Anstehende in rechter Weise angehen und bewältigen dürfen. Nur
unter dem Segen Gottes können wir positiv unserem Nächsten
begegnen, Probleme anpacken, Nöte bewältigen, Antworten auf die
existenziellen Fragen geben und Lösungen den Menschen anbieten.
Unter diesem Segen stehend, erleben wir ein Heute, das Jesus
priesterlich und segnend durchwirkt.
4)
Wir wissen um einen lebendigen Gottesdienst, voll Freude und
Lobgesang (Verse 52+53). Der biblische Begriff des Gottesdienstes
bezieht sich nicht nur auf den Sonntagsgottesdienst. Sondern es
ist ein umfassender Begriff für unser gesamtes Leben:
Gottesdienst - Gott dient uns! Nach Paulus in Römer 12,1 zeigt
sich darin solcher vernünftiger, schriftgemäßer Gottesdienst,
wenn wir unsere Leiber zum Opfer geben, das da lebendig, heilig
und Gott wohlgefällig ist. Wesentlich dabei ist, dass Gott durch
uns hindurch uns und unseren Nächsten dient. Indem wir ihm
gehorsam sind, geschieht sein Dienst in unserer Umwelt und
Umgebung. Gerade da, wo wir Werkzeug in Gottes Hand sind,
geschieht etwas. Wo wir ein Musikinstrument in Gottes Hand sind,
ertönt unter uns sein Lobgesang. Wo wir seine Friedensboten
sind, vertragen sich die Menschen wieder. Das ist der wahre
Gottesdienst.
Das
heißt nun nicht, dass wir Arbeitstiere wären. Sondern dadurch
finden wir uns in jeder Lage zurecht und stehen in jeder Lage
Gott zu Diensten. Nur das schenkt uns dann Erfüllung, Freude und
den Lobgesang. Darunter werden wir still und froh.
Als
Christen sind wir auf die wahren Wege Gottes gestoßen. Nun
verwirklicht sich Gott in uns. Er schaltet dabei unsere Person
nicht aus, sondern schließt sie ganz mit ein. So darf es in
unserem Leben zielstrebig voran- und weitergehen. Gott über- und
unterfordert uns nicht. Er lässt uns nicht sitzen, aber er
schindet uns auch nicht.
Es
gehört zum Leben der praktizierenden Christen, dass jeder seinen
Platz erkennt, auf den ihn Gott gestellt hat. Diesen Platz darf
er ganz ausfüllen.
Nach
der Himmelfahrt Jesu gehen die Jünger voll Freude und Lobpreis
nach Jerusalem zurück. Der Grund dazu liegt allein darin, dass
sie nun Jesus zwar ganz anders, aber noch näher erleben dürfen.
Dasselbe gilt auch heute für uns und für alle noch kommenden
Generationen. Wer diesen Jesus erlebt, der kennt die wahre
Lebensfreude und den wahren Lebensmut. Er vergisst darüber
nicht, Gott zu danken, zu loben und ihn anzubeten.
Es
gibt hier einen christlichen Kreislauf: Betende Hände werden zu
arbeitende Hände und wieder zu anbetende Hände. Das sind die
erlebbaren Gotteskreise, in denen wir stehen. Denn wir wissen um
diesen lebendigen Gottesdienst, voll Freude und Lobgesang.
Der
Himmelfahrtstag ist die Ordination Jesu zum weltweiten Dienst.
Seitdem ist kein Christ auf dieser Erde mehr alleine gelassen. An
jedem Ort, bei jedem Menschen und zu allen Zeiten ist Christus
gegenwärtig und schenkt uns seine Hilfen. Gerade für uns
Christen gibt es eine sinnvolle Verbindung von Erde und Himmel.
Denn Jesus, unser Herr, hat alle Macht im Himmel und auf Erden.
Dazu ist er der Herr, der Kyrios, über alles geworden.