MARKUS 1,32-39;    1. PREDIGT:

 

„ Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachten sie zu Jesus alle Kranken und Besessenen. Und die ganze Stadt war versammelt vor der Tür. Und er half vielen Kranken, die mit mancherlei Gebrechen beladen waren, und trieb viele böse Geister aus und ließ die Geister nicht reden; denn sie kannten ihn. Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort. Simon aber und die bei ihm waren, eilten ihm nach. Und als sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich. Und er sprach zu ihnen: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Städte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die bösen Geister aus. “

 

Die Praxis der Jesus- Nachfolge beinhaltet drei Bereiche: Gebet, Zeugnis und Dienst. Wer aus der Stille heraus lebt, der darf große Verantwortung wahrnehmen, die auch Leben und Vollmacht in sich hat. Gott, den wir vor allem in der Stille erleben, benützt und gebraucht unser ganzes Leben und bewirkt dadurch etwas zum Bau seines Reiches. Je mehr etwas von uns verlangt wird, desto mehr benötigen wir das Gebet, um so mehr erleben wir die Größe Gottes.

Markus stellt so ziemlich am Anfang seines Evangeliums einen Tagesablauf Jesu vor, als Beispiel für das ganze Leben Jesu. Anders als bei uns heute begann damals der neue Tag mit dem Abend. Nehmen wir aber unseren Tagesablauf, dann begann Jesu den Tag mit dem Gebet, danach kam seine Predigttätigkeit mit den sich daran anschließenden Heilungen. Dieser Tagesablauf Jesu will auch für den unsrigen ein Vorbild sein.

Es ist nicht selbstverständlich, dass wir von uns aus, von selbst, so automatisch, in den Wegen Gottes stehen. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Unsere eigenen Begehren vergewaltigen unseren Tagesablauf, prägen unseren Willen und unsere Vorhaben und stehen immer wieder an der ersten Stelle unseres Lebens. Wenn wir aufwachen, dann versuchen wir normalerweise zielstrebig unsere Begehren zu erfüllen, so weit dies möglich ist.

Gott dagegen will uns ein heiliges Erwachen aus unserem gottlosen Treiben mit Götzendienst und Selbstverherrlichung schenken, aus unserem sündhaften Leben, aus unseren üblen Geschäftigkeiten, aus unserer tödlichen Selbstsicherheit und aus unserem Wirtschaftswachstum, das an vielen Stellen dem Turmbau zu Babel gleicht.

Wir sollen nicht Knechte des Alltags, sondern Herren des Alltags sein. Hierzu richtet uns Gott unseren Kopf immer wieder gerade; heiligt und reinigt er immer wieder unsere Gesinnung; schenkt er uns unter seinem Evangelium eine klare Ausrichtung und bereinigt er immer wieder unser Zusammenleben mit den vielen miesen Situationen.

Die eigentlichen Wunder Gottes sind darin gegeben, wenn wir Menschen es gelernt haben, nicht mehr unseren Willen durchzusetzen, sondern uns dem Willen Gottes aussetzen können. Gerade aber das will gelernt sein, weniger als ein Können oder als eine Leistung, sondern mehr als ein sich dem Willen Gottes unterstellen. Es ist ganz wesentlich, wie wir unsere Tage gestalten und ausleben.

Jesus geht es um den ganzen Menschen. Er doktert nicht an den einzelnen Symptomen der gefallenen Schöpfung herum, sondern er schenkt eine ganzheitliche Erneuerung unseres Lebens. Jesus heilt nicht so nach und nach diese üble Welt, sondern er schafft eine neue Welt. Diese unsere Welt vergeht, die Welt Gottes kommt. Jesus baute keine Klinik auf, sondern er wollte die Herzen vieler Menschen verändern. Und dazu wanderte er von einem Ort zum andern. Er brachte das Heil, darin aber für viele die Heilung inbegriffen war. Jesus sah die Vergebung unserer Schulden wichtiger als die Heilung. Wie oft sagte er zu den geheilten Menschen: Geh hin, dir sind deine Sünden vergeben. Hoffentlich gehören wir nicht zu den Menschen, die nur die Gaben des Gebers wollen; sondern hoffentlich gehören wir zu den Menschen, die den Geber der Gaben wollen.

Jesus war offen für die Massen; ihn jammerte ihre großen Nöte. Aber er wurde nicht ihr König, ihr Chef, ihr Ministerpräsident oder ihr Superstar; sondern er wurde schlicht und ergreifend ihr Erlöser; oder anders ausgedrückt: das Licht der Welt, das Salz der Erde.

Wie ganz am Anfang schon gesagt, beinhaltet die Praxis der Jesus- Nachfolge, - und gerade dieser Predigttext will uns zur ganz praktischen Jesus- Nachfolge rufen - , drei Bereiche: Gebet - Zeugnis - Dienst! Darin besteht letztlich die Kunst unseres Christseins. Es ist der von Gott gewollte und geschenkte wohlklingende Dreiklang unseres Lebens.

 

1) Das Gebet! Sogar Jesus praktizierte es täglich. Sogar Jesus hatte es nötig, mit seinem Vater immer wieder Fühlung aufzunehmen. Und das geht nur in der Stille, in der Einsamkeit mit Gott. Jesus hat uns nie eine Mündigkeit vorgelebt, in der er selbständig ohne seinen Vater hätte leben können. Nur der Teufel hätte sich gefreut, wenn Jesus die Verbindung mit seinem Vater nicht mehr gepflegt hätte. Sondern Jesus ringt sich im Gebet immer wieder zu der Einwilligung hindurch: Dein Wille geschehe!

Auch uns sollte es darum gehen, noch besser und noch mehr die Verbindung zu Gott zu pflegen, uns noch mehr auf Gott zu verlassen, unser Vertrauen auf ihn zu setzen, immer wieder Rücksprache zu ihm zu halten und uns dadurch Orientierung und Kraft schenken zu lassen. Nur der, der solche bestimmte Zeiten des Gebetes kennt, kann auch im Tagesablauf zu den unbestimmten Zeiten diese Verbindung zu Gott immer wieder knüpfen. Und nie ist so etwas eine Pflichtübung, sondern immer eine fröhliche und lebendige Sache. Eine Rationalisierung unseres Gebetslebens rächt sich gewaltig.

Kommen wir immer wieder mit Gott in Einklang. Konzentrieren wir uns immer wieder auf Jesus, auf seine Anliegen, auf seine Art und Weise der Lebensfindung, der Lebensauffassung und der Lebensaufträge. Tauchen wir immer wieder in die Wirklichkeit Gottes ein. Das sind keine verlorenen Zeiten, sondern schöpferische Augenblicke. Gerade Gott hat ein Anrecht darauf, dass wir für ihn da sind, dass wir im Gespräch mit ihm bleiben und dabei nicht ausscheren.

Wenn wir neben der Hektik der Tage nicht solche Besinnungsphasen haben, dann wird das Leben zum Stress. Wenn wir aber solche Zeiten haben, in denen wir die Türen der Hektik zuschließen, dann öffnen sich weit die Türen Gottes und nichts kann uns mehr aus der Fassung Gottes bringen.

Gerade das Vaterunser ist unser richtungweisendes Gebet. Was beinhaltet das Vaterunser? Zuerst sind es drei Bitten für die Sache Gottes: Wir dürfen die Anliegen Gottes zu den unseren machen. Und dann sind es vier Bitten für unsere Sache: Somit macht Gott unsere Anliegen zu den seinen. Ist das nicht eine wunderbare Sache?

Natürlich erfahren wir im Gebet Läuterungen, Korrekturen und Scheidungen. Aber wir erfahren darin auch Klärungen, Entscheidungen, die Wahrheit über die wahre Zusammenhänge des Lebens, Stärkung, Hilfe und die nächsten Aufträge Gottes. Im Gebet bekomme ich offene Augen und Ohren für die Anliegen Gottes. Hier beschenkt mich Gott mit seiner Fülle und mit seinem Reichtum.

 

2) Jesus wollte noch an vielen Orten predigen. Ihn drängte es, überall seine Botschaft zu bringen. Jesus selbst fasste seine Sendung mit dem Wort "Predigen" zusammen. D.h. nichts anderes, als die Königsherrschaft Gottes auszurufen und zu proklamieren.

Auch heute lebt Christus unter uns nur als der Gepredigte! Mit all den anderen Mitteln würden wir Gott nur eine Schande bereiten: mit Zwang, mit Überlistung, mit falschen Versprechen u.a.

Und das Gewaltige an der echten Predigt ist nicht darin gegeben, dass wir Referate über Gott halten; sondern dass Gott solche Worte benützt und sie zur Gottes eigenen Rede werden lässt: "Wer euch hört, der hört mich!" Im bezeugten Evangelium bewegt sich Gott auf uns zu und er wird wieder unser Gott. Wir predigen weniger etwas, was sich früher einmal zugetragen hatte. Sondern wir bezeugen Christus, der mit seiner wirkenden Macht persönlich in unsere Mitte tritt. Hebräer 4,12f: "Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens."

Unsere Kirche war einmal die "Kirche des Wortes "! Nur dort handelt und wirkt Gott in unserer Kirche, wo sein Wort klar und rein verkündigt wird; wo nichts davon abgestrichen oder hinzugefügt wird. Wenn unsere Kirchensynode etwas beschließt, das nicht im Worte Gottes enthalten ist, dann ist sie eine Synode des Satans und nicht mehr eine Synode der Kirche Jesu Christi.

Natürlich gehört zur Predigt auch das rechte Hinhören auf die Predigt Jesu. Wir Menschen sind so vergessliche Hörer geworden. Oder noch schlimmer: Wir sind so sehr mit uns selbst beschäftigt, so dass Gottes Wort bei uns gar nicht mehr landen kann.

Wenn die Menschen damals zur Zeit Jesu nur ihre Kranken und Besessenen geheilt sehen wollten, dann hatten sie die Botschaft Jesu nicht kapiert. Somit musste sich Jesus von ihnen zurückziehen, wie er es öfters getan hat, z.B. nach der Speisung der 5000. Die Kirche ist immer dann willkommen, wenn es sich um soziale und diakonische Tätigkeiten handelt. Da erntet sie immer großen Beifall. Hierbei melden die Menschen ihre Erwartungen, Wünsche und Forderungen auf ein besseres irdisches Leben an. Aber dabei wird übersehen, dass zwar Gott unsere Leistung ganz verlangt; dass aber diese unsere Leistung nie ein Gradmesser für die Gnade Gottes ist. Denn auch der Teufel kann Wunder tun.

Für Jesus steht über der Heilung das Heil Gottes. Die Menschen sollen zu Gott zurückgeführt werden. Jesu Ziel ist die Versöhnung des Menschen mit Gott. Er will retten, was verloren ist. Er kann uns nur da entscheidend helfen, wo wir uns von ihm unsere tiefste Not und Verlorenheit aufdecken lassen, damit in echter Weise unser Leben, ja Paulus sagt sogar unser Leib ein Tempel des Heiligen Geistes werden kann.

Gerade durch die Predigt bekommen wir ein zweifaches Angebot Gottes: Vergebung unserer millionenfachen Schuld und die Schenkung eines millionenfachen Guthabens auf der Bank Gottes. Da wird uns ein neues Leben mit ungeahnt vielen und gewaltigen Möglichkeiten angeboten. Dazu lohnt sich alle Mühe der Predigt, die dem Hörer Lust machen will, Jesus ganz zu vertrauen, ja ihm sein Leben anzuvertrauen.

Aber das alles geschieht nicht nur in der „Predigt“. „Alle“ Christen sind Botschafter an Christi Statt. Jeder darf dazu sein Zeugnis ablegen. Das ist der innerste Lebenswunsch eines jeden Christen: Lasst euch versöhnen mit Gott.

 

3) Neben dieses Predigtamt tritt auch ganz klar der praktische Dienst an dem Nächsten. Dieser Dienst gipfelte bei Jesus in den Heilungen. Es wäre einmal einer näheren Überlegung wert, ob Gott den Lauf der Natur steuert, oder ob er den Lauf der Natur durchbricht; oder tut er beides?

In den ganzen Evangelien können wir beobachten, dass Jesus immer wieder von einer Schar von Leidenden und Besessenen umgeben war. Hier im Predigttext war es ein großer Elendshaufen vor der Tür des Petrushauses versammelt. Aus allen Löchern waren sie heraus gekrochen, in denen sie sich sonst versteckt hielten. Und Jesus jammerte des Volks. Er wollte ihnen allen helfen.

Es gibt ja auch heute viele erklärbare und unerklärbare Krankheiten; auch Besessenheiten, obwohl das nicht gerne zugegeben wird. Wie oft werden Menschen von der Wut und von bösen Gedanken gepackt, vom Zorn übermannt, von der Verzweiflung getrieben und von Ängsten umgeben! Wie oft laufen die Gallen über und werden die Herzen abgedrückt!

Es ist richtig erkannt, dass wir Menschen mit all diesem zu Jesus kommen dürfen. Es gibt nichts, wo er nicht helfen könnte.

Und wer die ganze Botschaft Jesu annimmt, der darf sich auch von allem Bösen absagen, der erlebt wahrhaftig die Befreiung daraus und darf sich gegengleich Gott angeloben und damit dem guten Gott dienen; d.h. er darf das Böse mit Gutem überwinden.

Es macht sich der Bote Gottes vor der Welt lächerlich, wenn er meint, dass Gott am Ende wäre und ihm nicht alles möglich ist. Aber er macht sich genauso vor Gott lächerlich, wenn er meinte, er müsste überall helfen. Nur soziale Dienste sind zu wenig. Als seine Boten gibt uns Gott sein ganz bestimmtes Konzept an die Hand. Nur in der Nachfolge, nie in eigenmächtigen Entscheidungen, können wir diese Aufträge ausführen. Aber dann erleben wir dabei den reichen Gott, dem alles möglich ist.

 

Es ist wesentlich zu wissen und zu befolgen, dass die Praxis der Jesus- Nachfolge drei Bereiche beinhaltet: Gebet - Predigt oder Zeugnis - Dienst. In der theologischen Fachsprache nennt man das: Leiturgia - Martyria - Diakonia.

Wer aus der Stille heraus lebt, darf große Verantwortung wahrnehmen, die auch Leben und Vollmacht in sich hat. Dann gebraucht und benützt Gott unser ganzes Leben. So ist der uns hier dargestellte Tagesablauf im Leben Jesu ein Vorbild für unser tägliches Leben und Wirken. Ergreifen wir diese Chancen Gottes, dann ist unser Leben nicht mehr vom Stress, sondern von der Vollmacht Gottes geprägt.