Die Zeiten der Stille vor Gott führen uns in ein
mündiges Christsein (Jh 4,42). Nur durch solche Stunden wird das Evangelium
Jesu Christi und seine Berufung, die er über dir ausgesprochen hat, weiterhin
leuchten.
Gott will keine Schablonen. Durch die Schöpfung
Gottes ist jeder ein Original (Jes 49,1; Jer 1,5). Viele wollen sich daran
vergreifen. So gilt es heilig zu hüten, was Gott gegeben hat. An vielen Stellen
des Lebens ist das ein Ringen, oft auch einmal ein Bangen um die wahre
Erkenntnis. Es werden nie alle Fragen bis ins letzte beantwortet sein.
Für jeden gibt es eine persönliche Hinführung in die
echte Nachfolge Jesu Christi. Es gilt zwar, dass keiner von sich aus dies kann,
was Gott von uns will. Aber Jesus Christus will unser Leben dazu bereiten (1 Ko
2,9).
Vieles in unserem Leben bedarf einer großen
Reifezeit. Es kann manches, das du heute nicht akzeptieren kannst, dir
vielleicht in ein paar Jahren eine große Hilfe sein. Finde und gehe den Weg,
den Gott eigens für dich bereitet hat und dich führen will. Es wird immer ein
gemeinsamer Weg mit anderen zusammen sein. Nur der wird in einer Gemeinde und
Gemeinschaft bestehen und leben können, der gelernt hat, vor Gott als ein
Einzelner zu stehen. Christen können nicht in einer Gemeinschaft
„unterschlüpfen"; das geht nur im persönlichem Leben vor Gott, 5 Mo 32,11:
Wie die Jungen unter die Flügel eines Adlers.
Es geht in den Zeiten der Stille darum, langsam ein
Gespür für den Willen Gottes zu bekommen, um sein Bote sein zu können. Gott
will keinen besonders
„Heiligen" aus dir
machen, sondern einen allezeit
Verantwortlichen", der im täglichen Leben treu auslebt, was er vor Gott
erkannt hat. Alles, was Gott von dir will, auch die großen Begebenheiten des
Lebens, vollziehen sich immer in kleinen demütigen Schritten (Lk 16,10). Weise
in dieser Stille vor Gott alles von dir, was dich zu einem „Besonderen"
machen möchte. Du brauchst kein Besonderer zu werden; durch das Leben mit
Christus hast du schon die höchste Würde erreicht, die ein Mensch überhaupt
erreichen kann.
Oft sind es viele äußere Kleinigkeiten, die einen
von der Stille abhalten wollen. Hier hat es sich als gut erwiesen, dass man
sich alle diese Punkte aufschreibt, um sie später zu erledigen.
Wer vor Gott tritt, muss wissen, dass der Satan
nicht weit weg ist. Deshalb stelle dich bewusst unter die Deckung des Blutes
Jesu.
Wisse, dass Jesus Christus dein Leben, deine
Situation, deine Verhältnisse klären und lösen will zu einem Leben für Gott.
Bei manchen Gruppen wird auf „geistliche Gaben"
ein sehr großes Gewicht gelegt. Man kann bei ihnen die große Sorge entdecken,
dass einer in dieser Beziehung zu kurz kommen könnte. Diese Sorge zeugt von
einer falschen Haltung zu diesen Gaben. Solche Gaben reifen nur in einem
gehorsamen Leben, das diese Zeiten der Stille vor Gott kennt. Diese Gaben sind
immer ein Geschenk. Es wäre töricht zu meinen, dass man nach ihnen greifen, sie
erlernen oder sie durch irgend welche Formeln sich aneignen könnte. Man würde
sich dabei nicht nur die Finger, sondern das ganze Leben verbrennen. Jesus
Christus wird in dir zur rechten Zeit seine Gaben erwecken. Habe dann den Mut,
gehorsam zu sein.
sich aber doch wenigstens die Lippen bewegen sollen. Sonst kommst du ins Sinnieren und bist dann oft mit deinen Gedanken ganz woanders.
Die Haltung beim Gebet ist zwar nebensächlich, aber
doch zu beachten (4 Mo 24,3b-4.15b-17a: „knien"). Die äußere Haltung ist
immer ein Zeichen der inneren Haltung (dies gilt vor allem für das Gebet im
Verborgenen - Mt 6,6).
Die persönliche Stille vor Gott stellt ein
Lernstadium dar. Es braucht lange Zeit, bis man die Stimme Gottes von der
eigenen Stimme und von der Stimme des Versuchers unterscheiden kann. Und
„immer" wird es eine Zeit der Klärung bedürfen, bis einem etwas deutlich
wird. Überlass Gott in allem das letzte Wort. Nie werden wir den Heiligen Geist
in den Griff bekommen; aber wir dürfen allezeit von ihm ergriffen sein. Bedenke
immer diesen wesentlichen Unterschied.
Meine nicht, dass du die Anliegen, die unbedingt mit
einem Seelsorger durchgesprochen werden müssten, alleine bewältigen kannst.
Hier kannst du dich durch die persönliche Stille vor Gott nur darauf
vorbereiten.
Du wirst spüren, dass diese Zeiten der Stille für
dein Leben sehr zum Segen sind. Gott wird dich reich beschenken, dein Leben
erneuern und deinen Lebensraum weiten.
Wenn man will, findet man genügend Zeit zur Stille,
zum klärenden Gespräch mit Jesus auf dem Fundament der Bibel. Dem einen liegen
dazu die Morgenstunden, dem anderen die Abendstunden.
Folgender Rhythmus kann eine Hilfe sein:
a) „Persönliches Offenbarwerden": Darin
eingeschlossen ist: Klärung, stille Beichte, persönliche Fragen und Anfechtungen.
Viele Krisen kommen deshalb zustande, weil etwas
anderes eintrifft, als man es sich vorgestellt hat. Es kann damit eine
Vorstellungswelt zusammenbrechen. Folgendes Fehlverhalten tritt oft ein: Durch
die Tatsache der Krise ist ebenfalls das Leben mit Gott gestört und man
unternimmt gar nicht den Versuch, die Fragen vor Gott zu klären. Man tritt
einfach in eine Abwehrhaltung, ohne überhaupt Jesus Christus wegen dieser
ganzen Sache gefragt zu haben. Bitte in solchen Situationen um seine Antwort,
Weiterführung und Reifung. Lass Gott nicht los, bis du, - wie Jakob am Jabbok
(1 Mo 32,25-31) -, von ihm gesegnet worden bist, eine Klärung und Antwort
bekommen hast. Denke daran, dass Krisenzeiten oft Weichenstellungen in deinem
Leben sind. Wie wesentlich ist in dieser Sicht die Klärung vor Gott.
In diesem „persönlichen Offenbarwerden" geht es
darum, alles, aber auch restlos alles, vor Gott darzulegen in dem Wissen, dass
er ein offener, barmherziger, allwissender und allmächtiger Gott ist; dass er
dich nicht unterdrücken, sondern dir helfen und dich weiterführen will.
b) Danach stehe in der „Anbetung Gottes".
Am Anfang kann man dies lernen, in dem man sich
überlegt, für was ich Gott danken kann. Dann formuliere ein Gebet ohne das
Wörtchen „Danke".
Anbetung ist „Gott die Ehre geben" in allen
Situationen und Lebenslagen und Erfahrungen. Wer darin geübt ist, wird durch
die Anbetung mit in die verborgene Welt Gottes hinein genommen, sodass sein
ganzes Leben einen weiteren Horizont bekommt. Gottes Geheimnisse haben es an
sich, dass sie Geheimnisse bleiben. Aber wir dürfen durch die Anbetung nicht
nur Blicke hineinwerfen, sondern es wird mit unser Geheimnis. Oft wird eine
Notlage erst durch die Anbetung geklärt. Wenn uns alles unmöglich geworden ist
und uns, - bildlich gesprochen - , alle Türen verrammelt scheinen, kann uns
Gott durch die Anbetung an den Stellen unseres Lebens eine Türe öffnen, an
denen wir keine vermuteten. Es ist unmöglich, dass Gott einmal keinen Weg hat
(Lied 361).
c) Auch wenn du wegen einem besonderen Anliegen in
die Stille gehst, nimm dir dennoch Zeit zur „Betrachtung eines Bibel-Abschnittes".
Versuche eine Stelle zu nehmen, die auf dein
Anliegen zugeschnitten ist. Versuche möglichst viele Parallelstellen, vor allem
die Aussagen Jesu, zu betrachten, damit du langsam ein Gespür für die
Gültigkeit des Wortes Gottes bekommst. Um Gott richtig verstehen zu können,
bedarf es nicht irgend einer Ausbildung, einer besonderen Leistung oder einer
bestimmten Stellung (Amt), sondern allein deiner kleinen, aber ganzen Treue zu
Gott. Vertraue ihm immer wieder und erwarte von ihm und seinem Wort alles (Mt
11,25-27; 1 Kö 3,5-15; Jh 11,28b; Mt 20,32; 9,28; 8,3; 1 Thess 5,24).
Reiße einen Bibeltext oder eine biblische Aussage
nicht aus dem Zusammenhang, in dem er steht; dieser ist wichtig. Durch
Parallelstellen erfährt man dazu die größere Tragweite einer Aussage.
Wichtige Hilfen der Bibellese: Zur Lutherübersetzung
noch andere Übersetzungen; Wortkonkordanz zur Bibel: „Bibel von A bis Z";
neutestamentliche Wörterbücher.
Finde eine dir zusagende Form der Bibellese. Bleibe darüber
auch im Gespräch mit anderen, wie sie es machen.
Zuerst finde die Aussagen des Textes heraus. Vor
allem bei bekannten Abschnitten überliest man sie gerne. Stelle dir dabei die
einzelnen Gestalten vor, wie sie alles durchgangen haben. Stelle dir vor, wie
es wäre, wenn du in derselben Lage wärest.
Danach ist wichtig, dass du dich durch diese
Aussagen von Gott anschauen lässt; dass du darunter im wahrsten Sinne des
Wortes „stille" wirst und Gott reden lässt. Auch dieses will natürlich
durch große Treue gelernt sein; aber jeder wird ein Überwältigter, wenn er das
erfreuliche Reden Gottes in seiner momentanen Lage erlebt. Dies werden oft
Augenblicke des Erkennens sein, in denen es dir „wie Schuppen von den Augen
fällt" und der nächste, bzw. die nächsten Schritte klar werden.
Luther empfiehlt vier Fragen zu einem Text:
Was steht da? Was sagt das mir? Was klagt mich an;
wo muss ich um Vergebung bitten? Wofür kann ich danken?
d) Als Abschluss sollte ein nochmaliges „intensives
Gespräch mit Gott" stattfinden, in dem du deinen Dank, deine Bitten und
Fürbitten darbringst.
Dank: Nach solch einem Stillewerden vor Gott fällt
es einem nicht mehr schwer, einen umfassenden Dank an Gott auszusprechen:
Für „seine" Vergebung, Bewahrung,
Gaben, Kräfte, Berufung, Aufträge, Möglichkeiten usw.
Bitten: In der Bittform bringe alles dar, was dir
von Gott klar geworden ist, das sich ändern, oder das du tun sollst. Solche
Bitten werden erfüllt werden, weil sie vor dem Angesichte Gottes gereift sind.
Vielleicht erfüllen sie sich anders, als du es dir momentan vorstellst, aber
Gott erhört sie. Sei bei diesen Bitten bereit, dein Bestes und dein ganzes
Leben zu geben, wo es Gott will. Vorbehalte sollte es da nicht geben.
Fürbitten: Bringe die Menschen zu Gott, mit denen du
zusammenlebst, jeden einzeln. Dazu bete für die Anliegen, auf die du täglich
stößt. Das ist zwar ein verborgener, aber ein sehr wesentlicher Dienst, der
große Verheißungen trägt. Siehe z.B. Abrahams Fürbitte für Sodom (1 Mo
18,1-33).
Zum Schluss:
Oft wird dir nach Zeiten mancher Ungewissheit und
Fragen über deinen Weg der Wille Gottes deutlich. Du kannst aber diesen Weg
ganz anders geführt werden, als du dir es momentan vorstellst. Verfalle nicht
in den Fehler, dass du jetzt mit Macht und Nachdruck alles um dich nach dem
Reden Gottes ändern willst. Du würdest nur das Gegenteil davon erreichen. Hier
gilt der Grundsatz: „Nicht selbst handeln, aber gehorsam sein." Gott gibt
die Wege zu dem, das er geredet hat. Ich muss nicht Gott unter die Arme greifen
oder mich zu seinem Rechtsanwalt machen. Warte, bis Gott die verheißenen Wege
öffnet. Es gibt inzwischen viele andere Aufgaben, die du bewältigen darfst.
Warten wir diese Zeit nicht ab, dann können wir sehr viel zerschlagen. Aber
wenn die Zeit von Gott erfüllt und gegeben ist, dann öffne deinen Mund, dann
tue deine Hand auf, hilf deinem Nächsten und stelle dich zu dem, der deine
Hilfe so nötig braucht. Gott wird seine Verheißungen so erfüllen, dass du
darüber staunen wirst.
So geschehen die Wunder Gottes. Solch ein
„Wunder" ist gegeben, wenn wir Gottes Gegenwart, Handeln und Erbarmen
spüren und erleben.